29. – 31. August 1997

Die friesische Wald & Wiesenroute/Die Leeuwarden – Lauwersland Route 

 

Vorwort: Dieser Reisebericht hat mittlerweile natürlich historischen Wert und spiegelt nicht die aktuellen Gegebenheiten wider.

Freitag 

Eine Woche habe ich nun auf einem Segelboot verbracht, einer gecharterten Wibo 830. Natürlich mussten wir das Ijsselmeer befahren, das uns relativen Neulingen gleich zeigen musste, wer bei der Konfrontation Mensch gegen Mitwelt der Sieger bleiben würde. Das Ijsselmeer zeigte jedoch Gnade und lies uns nach einer Stunde Kampf in einen sicheren Hafen entkommen. Seitdem haben wir sehr viel Respekt, sowohl vor diesem großen Binnensee, als auch vor der niederländischen Bootsbaukunst.

Wir, das waren Jutta, Werner, Andreas und Ich, mussten das Schiff am Freitag in Terkaple wieder abgeben und ein wirklich abwechslungsreicher Urlaub ging zu Ende. Ich hatte aber vorher schon geplant, das nun folgende Wochenende für einen weiteren Bootstörn zu nutzen.

Meine Freundin Eva, die vernünftigerweise ihr Studium sehr ernst nahm, konnte aus diesem Grund nicht an unserem Segelabenteuer teilnehmen. Für uns blieb aber noch der Wochenendausflug mit dem eigenen Boot, einer Shetland Family Four, die ihren Heimathafen in Drachten hat.

Nach der Übergabe der Wibo bei „Maran Yachtcharter“ fuhren wir gemeinsam nach Drachten, was für meine Freunde auf dem Rückweg ins heimatliche Münsterland keinen großen Umweg bedeutete. Im „Jachthaven De Drait/Buitenstvallaat“ angekommen half mir Werner dabei, das Schiff aus der Box zu holen und an den „Boulevard“ zu legen.
Das ist ein großer Anlegesteg, auf der einen Seite mit Boxen für die Charterflotte und auf der anderen Seite mit Liegeplätzen für Gäste. Zum bequemeren Be- und Entladen der Schiffe ist der „Boulevard“ mit dem PKW zu befahren und bietet am Ende einen Wendeplatz. Strom, Wasser und eine Absauganlage für den Fäkalientank, Pflicht in naher Zukunft, runden das Bild ab.
Nahe bei steht das Hafengebäude mit Toiletten und Duschen und einem Aufenthaltsraum für Gäste. Gleich dahinter findet man die Tankstelle für Benzin und Diesel, die auch am Wochenende geöffnet ist. Die besonders sportlichen Wasserenthusiasten können hier auch Kanus mieten und eine Tour durch kleine und stillgelegte Kanäle unternehmen.
Der „Jachthaven De Drait“ liegt einige Kilometer außerhalb von Drachten, in De Wilgen, daher ist es schwierig, möchte man hier seine Bordvorräte ergänzen. Allerdings können sie hier auch Fahrräder mieten, sofern sie keine an Bord haben, oder den kostengünstigen Taxiservice in Anspruch nehmen. Eine Busverbindung ist ebenfalls vorhanden, leider wird diese Strecke nur ein paar Mal am Tag bedient.
 

Wir haben das Boot festgemacht und ich verabschiede mich von meinen Freunden mit dem Wunsch auf eine gute Heimfahrt. Beim anschließenden Telefonat teilt mir Eva mit, dass sie gegen 20 Uhr eintreffen wird. Ich verspreche ihr, „klar Schiff“ zu machen, sie glaubt jedoch, „ich säße bestimmt wieder auf dem Fahrersitz und tränke Bier!“ Dieses Klischee wollte ich aber nicht zur Wahrheit werden lassen.
So kramte ich diverse Putzmittel aus der Backskiste und wollte just bei der Außenhaut unseres Bootes anfangen, da überraschte mich ein Regenschauer. Schnell flüchtete ich nach Innen und setzte dort meine Aktivitäten fort. Die Kühlbox war noch nicht auf Touren gekommen, so entfiel das Argument für einen flüssigen Temperaturtest. Der Regen verzog sich langsam und ich baute meine Putzutensilien wieder auf dem Steg auf.
Zwischendurch habe ich mich dann irgendwo „festgesabbelt“, schließlich begann es wieder zu regnen. Was tun? Innen war alles sauber, außen nichts zu machen. Also riss ich mir endlich eine Dose Bier auf, als genau in diesem Moment Eva auf den „Boulevard“ gefahren kam. Was bot ich ihr für einen Anblick? „Ich wusste es“, war der erste Satz, als sie aus dem Wagen stieg. Aber eigentlich wollte sie bei mir keine Schuldgefühle provozieren, sondern war eher darüber erfreut, wie gut sie mich doch kannte.

So wuchtete ich erst einmal ihre umfangreiche Ausrüstung an Bord, mit Kleidungsstücken für alle Wetter und alle Gelegenheiten. Gegen 21 Uhr lagen wir bereits im Tiefschlaf. Sie war gestresst vom Lernen, Ich erschöpft von diesem intensiven Segeltörn.
Eva und die Hafenmuschi

Samstag 

So ausgeschlafen haben wir uns selten gefühlt, als wir an diesem Morgen aus der Koje krochen. Den schönen Spätsommertag begannen wir mit Duschen und anschließendem Kaffeekochen.
Letzteres hatte etwas von Camping – Atmosphäre, denn wir benutzten einen Wasserkocher, den wir hier ohne weiteres an den Landstrom anschließen konnten, ohne dass die Sicherungen rausflogen.
Einige Häfen sind ja bekanntlich etwas knauserig mit ihren Amperestunden. Sicherlich gibt es auch 12 Volt Kaffeemaschinen, sofern sie genug Geduld aufbringen können, auf das Ergebnis zu warten.

Ohnehin ist unsere AVALON, bedingt nur ihre Maße von 5.35m x 2.08m, recht spartanisch ausgerüstet. Die Kajüte bietet ausreichend Platz für zwei Schlafplätze und einer Reihe von Reisetaschen. Die Frage nach der Stehhöhe erübrigt sich in diesem Fall. So ist der eigentliche „Wohnraum“ die Plicht, mit L – förmiger Sitzbank und darunter viel Stauraum, wo sich u. a. Tank und Batterie befinden. Der Vorbesitzer hatte den Fahrersitz auf eine selbstkonstruierte Backskiste gesetzt, wir haben dort schließlich noch einen Schubladencontainer eingebaut. Äußerst praktisch für die Vielzahl an Utensilien, die man während eines Törns mitführt, vom Besteckkasten über Trockentüchern bis zu Ersatzzündkerzen. An Backbord hatten wir ursprünglich einen Beifahrersitz geplant, dort finden nun aber Kühlbox, Grill und Rettungsring Platz. Die Windschutzscheibe scheint, verglichen mit anderen Shetlands aus dieser Baureihe, auch nicht original zu sein, denn sie ist etwas höher, wodurch das Boot ein wenig klobiger wirkt. Der Vorteil ist aber, dass dadurch die Persenning mehr Höhe bietet, ergo ein paar Zentimeter mehr Lebensraum. Anfangs hatten wir noch ein Chemie – WC an Bord, das wir aber nie benutzten, weil ein ganz ordinärer Eimer es zur Not auch tat. Motorisiert sind wir mit einem „Volvo Penta“ Außenborder mit 51,4 Kw (70 PS) – ich weiß, viel zu groß für niederländische Binnengewässer, aber der war nun einmal hintendran. Abgesehen davon habe ich lieber manövrierfreundliche 70 PS, als mit einem untermotorisierten Segelschiff bei Wind und Welle von vorne keine Fahrt mehr über Grund zu machen. 

Wir haben uns noch nicht direkt auf eine Route geeinigt und fahren erst einmal die Tankstelle an. Als ich einkupple, gibt es plötzlich einen leichten Ruck und ich kann den Gashebel nicht weiter nach vorne bewegen. Vielleicht hat sich nur irgendwas verklemmt, aber ich tippe auf den Bowdenzug für das Getriebe. So schleichen wir zur Tankstelle und begutachten den Schaden. Es war besagter Zug und das passierte uns nun schon zum dritten Mal. Das erste, allerdings sehr unangenehme Erlebnis damit hatte Eva, als sie in eine Schleuse einfahren wollte und der Gaszug riss. Folge davon war, dass in diesem Moment das Boot langsam aber bestimmt in Gleitfahrt ging und wir so in die Schleuse einrauschten. Aufstoppen ging auch nur mit Vollgas rückwärts und die Restfahrt wurde durch die Schleusenmauer abgebremst. Das kostete aber nur eine verbogene Ankerrolle.

Ein Nachteil etwas älterer Außenbordmotoren ist natürlich die Ersatzteilbeschaffung und wir wussten, dass uns in diesem Fall die fleißigen Monteure von De Drait auch nicht weiterhelfen könnten. Aber wozu ist halb Friesland schließlich ein Ersatzteillager? So setzten wir uns in den Wagen und fuhren nach Grou, denn dort kannten wir die Motorenwerkstatt „De Schiffahrt“, die ausnahmslos alle Typen reparierten. Auch wenn wir ein nicht ganz passendes Teil bekamen, denn es gab nur noch Züge für Innenborder, so ließ es sich mit ein wenig Geschick und Improvisation ohne weiteres einbauen. Hätte, muss ich betonen, denn ich versuchte Schrauben zu lösen, die gar nicht zu lösen waren. Schließlich musste ich (erfreut!) eingestehen, dass Eva in diesem Fall ein wenig geschickter war, denn es gelang ihr, den Bowdenzug sachgemäß an der Fernschaltung zu befestigen. Um hier nicht ganz zu versagen, gab ich mir beim Anschluss an den Motor besondere Mühe. Eine anschließende Probefahrt verlief zu unserer Zufriedenheit und wir hatten letztendlich auch Glück, dass dieses Malheur im Hafen passiert ist und nicht z.B. mitten auf dem Heeger Meer. 

Es war bereits später Nachmittag und Eva schlug vor, nach Dokkum zu fahren. Dagegen wäre an sich nichts einzuwenden gewesen, nur hatte ich die passende Wasserkarte nicht mitgenommen, da sie sich oft darüber lustig machte, dass ich sämtliche Karten der Niederlande mitschleppen würde, inklusive der „Nordwestdeutschen Binnenwasserstraßen“(!) So bekam ich wieder ein Beispiel weiblicher Überredungskunst (nicht zu verwechseln mit Rhetorik), als sie mir damit schmeichelte, ich würde doch die Gewässer Frieslands auswendig kennen. Nun waren wir aber noch nie in Dokkum, die grobe Route war mir aber präsent.

Die Sonne stand schon tief als wir ablegten und zauberte intensive Farben in die Landschaft.

Nach der Hafenausfahrt über die Niewe Drait bogen wir nach Steuerbord ein und gelangt direkt in einen kleinen See, entstanden durch Sandgewinnung. Geradeaus liegt der Industriehafen von Drachten, der mit ca. 43000 Einwohnern zweitgrößten Stadt Frieslands.

Wir queren den See und biegen, vorbei am kleinen Yachthafen De Steven, Richtung Norden in die Opeinder Vaart ein. Nach knapp 2 Km auf diesem stillen Kanal erreichen wir das Dorf Opeinde, das am Wassertourismus nicht so sehr zu partizipieren scheint. Vorab sei noch erwähnt, dass die Durchfahrtshöhe auf 2.30m begrenzt ist, bedingt durch die festen Brücken in diesem Ort (Die Gemeinde plant, die drei festen Brücken in der kommenden Saison auf 3.35m zu erhöhen). Außer zwei Anlegemöglichkeiten, zum einen direkt vor dem Bäcker, zum anderen an der ehemaligen Milchfabrik, hat Opeinde nicht viel zu bieten. Muss es auch nicht, denn manchmal ist man sicherlich froh, den sich selbst auferlegten Besichtigungsstress einmal nicht praktizieren zu müssen. Ich bin schon zufrieden mit dieser idyllischen Ortsdurchfahrt.

Die Opeinder vaart endet in dem See De Leijen und hier sollte man sich genau an die Betonnung halten und dabei noch möglichst in der Mitte fahren. Selbst wir mit unserem geringen Tiefgang haben uns hier fast schon einmal die Schraube ruiniert, denn der Untergrund ist sehr hart. Einen entsprechenden Warnhinweis finden sie daher auch in der Karte. Das weitere Fahrwasser heißt De Lits und nach einem Kilometer liegen wir vor der beweglichen Brücke in Eastermar. Im „Almanak“ ist die Öffnungszeit bis 20 Uhr vermerkt, ein Schild an der Brücke nennt 19 Uhr als letzte Bedienung und darauf sollte man sich auch einstellen. Aufgrund der falschen Angabe hatten wir ein Jahr zuvor die Nacht an einer Kuhwiese verbracht, zusammen mit ein paar Freunden, die sich eine BM – Jolle gechartert hatten. Das war allerdings nicht weiter tragisch, denn wir hatten auf jeden Fall eine Menge Spaß.

Ich gebe kurz Signal und schon erscheint der Brückenwärter, wohl erfreut über ein wenig Abwechslung. Beim Durchfahren überreicht er uns ein kleines Heft mit touristischen Informationen über diese Region mit dem kaum auszusprechenden Namen Tytjerksteradiel.

Eastermar hat einmal dadurch etwas Bekanntheit erreicht, als die Restaurierung des Dorfkerns im historischen Glanz derart kunstvoll erfolgte, dass diese landesweit preisgekrönt wurde.

Gute Anlegemöglichkeiten findet man hier im Yachthafen De Lits, u. a. mit Campingmöglichkeit, einem Zubehörladen und einer Werkstatt. 

Das Bergumer Meer ist schon ein ganz ordentlicher See, durch dessen oberes Drittel der Prinses Margriet Kanaal verläuft. Auch hier ist das sichere Fahrwasser ausgewiesen, wir verlassen jedoch die Betonnung, da auf dem südöstlichen Teil des Sees keine Geschwindigkeitsbegrenzung herrscht für Boote bis 1,5m3 Wasserverdrängung. Vor erreichen des vielbefahrenen Prinses Margriet Kanaal gehen wir wieder in Verdrängerfahrt, kreuzen diese Wasserautobahn und fädeln uns in die Kuikhornster vaart ein. Das Bergumer Meer ist touristisch kaum erschlossen und so findet man dort nur eine Ferienanlage mit einem kleinen Yachthafen, der aber Passanten keine Liegemöglichkeit bietet. Vielleicht wird sich dieser Zustand in naher Zukunft ebenso ändern, analog den Maßnahmen am Tjeukemeer, wo kleine Inseln aufgeschüttet werden mit entsprechenden Anlegestellen und diverse Untiefen beseitigt werden. Die Aktivitäten der Segler konzentrieren sich in der Hauptsache auf das Sneeker- und Heeger Meer und in dieser Region wäre noch richtig Platz.

Von weitem erkennbar sind schon die hohen Schornsteine eines Elektrizitätswerkes, das durch sein Kühlwasser das Bergumer Meer relativ schnell erwärmt. Das nun folgende Teilstück bis zur Kreuzung östlich von Driesum, besitzt eine Länge von 13 Km und ist auch für Schiffe mit höheren Aufbauten bis ca. 2.80m befahrbar. Die Tiefe des Kanals von ungefähr vier Metern hat allerdings nichts mit der Schifffahrt zu tun, sondern mit der Entwässerung des Hinterlandes hin zum Lauwersmeer. Daher sollte man mit merklicher Strömung rechnen, ebenso kann der Wasserpegel um einige Dezimeter variieren. Achten sie daher auf die Pegelmesser an den Brücken.

Wir passieren den Yachthafen Zwartkruis, nahe der Ortschaft Noord Bergum. Auch hier wird kräftig erweitert mit der Anlage eines neuen Parks für Chaletwohnwagen. Restaurant, Campingplatz und Charterbetrieb runden das Bild dieses gemütlichen und ruhigen Hafens ab.

Erstaunlich ist die große Zahl von Anglern längst dieser Strecke und wir reduzieren daher oft unsere Geschwindigkeit auf Schritttempo, um uns hier nicht unbeliebt zu machen. Die Landschaft ist im Wesentlichen agrarisch geprägt, ab und zu unterbrochen von kleinen Heidegebieten.

Eine weitere Möglichkeit, seine Fahrt zu unterbrechen, bietet auch der Yachthafen ´t Eibertsnest, nahe des Dorfes Zwaagwesteinde, mit guten Versorgungsmöglichkeiten. Nun hätten wir uns fast doch noch verfahren, hätte Eva mich nicht auf ein Straßenschild aufmerksam gemacht, das den Weg Richtung Dokkum wies. Die Kreuzung mit der Stroobosser trekvaart liegt direkt hinter einer Brücke und ist relativ unscheinbar, da die Kanäle hier ein ganzes Stück schmaler sind. Geradeaus geht es weiter nach Dokkumer Nieuwe Zijlen und dort durch die Schleuse auf das Lauwersmeer. Über Steuerbord gelangt man, an Kollum vorbei, wieder zum Prinses Margriet Kanaal, der im weiteren Verlauf seinen Namen in Van Starkenborgh Kanaal ändert und in Folge Friesland Richtung Groningen verlässt.  

Der direkte Weg nach Dokkum über die Stroobosser trekvaart ist durch einen Damm versperrt, daher knickt der Kanal nach ca. 3 Km noch einmal über Steuerbord ab und wir finden uns auf dem Dokkumer Grootdiep wieder. Nun ist die nördlichste Stadt der Niederlande erreicht. Wir sichten im Vorbeifahren schon einmal mögliche Liegeplätze und die erste Gelegenheit wäre, von Osten kommend, der „Jachthaven W.V. Dokkum“.
Vor der Stadt teilt sich das Fahrwasser und bietet Booten mit einer Durchfahrtshöhe weniger als 2.45m und einem Tiefgang bis 1m die Möglichkeit, direkt in die Stadtgracht einzufahren. Über Backbord läuft man in die Zuidergracht ein, die eigentliche Ortsdurchfahrt, mit zwei beweglichen Brücken und weiteren Liegeplätzen am Ufer. Wir entschließen uns, die Woudpoortsbrug zu durchfahren, die zügig geöffnet wird, denn es haben sich bereits einige Yachten dort versammelt. Der Brückenwärter bedient auch die beiden folgenden Brücken, daher wird man sich auf kleine Wartezeiten einrichten müssen. Direkt hinter der Brücke entdecken wir den passenden Anleger für uns, denn dort besteht die Möglichkeit, Landanschluss zu legen. Außerdem sichten wir ein Toilettenhäuschen. Zwischen zwei großen Yachten ist noch sechs Meter Platz und als ich mit Schwung in diese Lücke fahre, kommen die beiden Skipper schon von Bord gesprungen, weil sie wohl ein Unglück befürchten. Als ich etwas ähnliches bei einem anderen Törn noch einmal probieren wollte, ist dabei die Scheuerleiste gebrochen, trotz Fender. Nun, so kommt man auch mit seinen Bootsnachbarn ins Gespräch.

Von einem (Rentner-) Ehepaar erfuhren wir, dass sie die eine Hälfte des Jahres mit ihrem Boot in den Niederlanden unterwegs sind und die andere Hälfte irgendwo im Süden verbringen. Diese Art, seinen Lebensabend zu verbringen, ist hier häufiger anzutreffen. Und einige bemerken dabei nicht ohne Wehmut, sie wären lieber jünger und beweglicher und hätten dabei ein kleines Schiff ohne sonderlichen Komfort, als doch mit einigen Nachteilen des Alters leben zu müssen.
AVALON in Dokkum

Dokkum, mit seinen rund 15000 Einwohnern, liegt doch ein wenig abseits, als das die Touristen in Massen hierhin kommen würden. Bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts war der Ort noch eine richtige Hafenstadt, gelegen an der Middelzee, und Sitz der friesischen Admiralität. In der heutigen Stadtgracht befand sich der lebendige Seehafen und man kann sich heute kaum vorstellen, dass hier einst Großsegler und Kriegsschiffe anlegten. Die Seeschleuse stellte die Verbindung mit dem Binnenland her, wurde aber 1729 überflüssig mit dem Bau der Schleuse Dokkumernieuwezijlen. Mit der Eindeichung der Middelzee, vormals ein großes, zusammenhängendes Gewässer, an dem auch z.B. Leeuwarden und Bolsward lagen, verlor der Ort seinen Status als Hafenstadt. Die friesische Admiralität etablierte sich daraufhin in Harlingen. Eine andere historische Begebenheit darf nicht unerwähnt bleiben.

Einst weilte hier zum ersten und auch letzten Mal der angelsächsische Benediktinermönch Bonifatius, der seit 716 das Christentum in Friesland, Hessen, Thüringen und Bayern predigte und 722 in Rom zum Bischof geweiht wurde. Anno 754 wurde er nahe Dokkum erschlagen, aus welchem Grund entzieht sich dem Chronisten. Diese Tat machte die Stadt aber zu einem Wallfahrtsort. Seine Gebeine liegen heute im Dom zu Fulda.

Dokkum wurde errichtet auf zwei Terpen (Hügeln), die das Stadtbild immer noch charakteristisch prägen. Auch findet man noch Reste der ehemaligen Befestigungsanlage, datierend aus 1583, mit hohen Wällen und sternförmigen Bastionen. Auf einem dieser Wälle an der Zuidergracht stehen heute zwei große Windmühlen, mit Namen „De Hoop“ (1849) und „Zeldenrust“ (1862), die auch zu besichtigen sind. Ein Besuch wert ist auch das ehemalige „Admiraliteitshuis“, heute Heimatmuseum, sowie das Naturkundemuseum und der Bonifatiuspark im Südosten von der Woudspoortbrug. 

Am heutigen Tag wird in Dokkum ein großes Kinderfest veranstaltet und zahlreich sind die Attraktionen für den Nachwuchs. Unter anderem findet auch ein Wettlauf mit Rollschuhen bzw. Inline – Skates statt und wir haben in der Plicht unseres Bootes sozusagen einen Logenplatz. Abends lockt ein Musikfestival die Besucher, nur können wir uns nach dem Genuss einer exorbitant großen Pizza kaum noch bewegen. So verbringen wir den Rest des Abends an Bord, schön gelegen unter herabhängenden Weiden. 

Sonntag 

Die Rückfahrt nach Drachten soll heute über Leeuwarden erfolgen. Uns interessiert die Dokkumer Ee, denn die Hauptstadt der Friesen haben wir nun schon einige Male besucht.

Wir sind wieder einmal spät aus der Koje gekommen und so verpassen wir den ersten Konvoi, der sich Richtung Leeuwarden in Bewegung setzt. Mit der nächsten Öffnung der Woudspoortbrug schließen wir uns den durchfahrenden Schiffen an. Vor der nächsten Brücke müssen wir dann eine Zeit warten und machen erst einmal fest. Der Brückenwärter hat bekanntlich mehrere Brücken zu bedienen und kümmert sich vorrangig um den Ansturm in der Stadt selber. Nach ungefähr einer halben Stunde können wir unsere Fahrt fortsetzen und befinden uns nun auf der 22 Km langen Dokkumer Ee, die ihren Ursprung als Fluss nicht verheimlichen kann, so windet sie sich durch die Wiesen und Felder.
Als wir uns der Klaarkampsterbrug nähern, wird diese sogleich geöffnet, ohne dass wir Fahrt wegnehmen müssen. Dazu ist die Bedienung auch noch gratis. Dahinter findet man an Backbord einen Marrekrite Liegeplatz und genau gegenüber führt ein kleiner Stichkanal Richtung Holwerd, von wo aus die Fähren zur Nordseeinsel Ameland verkehren. Dieser Kanal ist in der Wasserkarte rosa eingefärbt, was ihn als Nebenfahrwasser kennzeichnet. Mit einer Wassertiefe von ca. 90 Zentimetern und einer Durchfahrtshöhe von 2.25m wäre er für uns befahrbar, doch fehlt uns für dieses Experiment leider die Zeit. Ebenso für die Erkundung weiterer Stichkanäle, wie die Hallumer-, Finkumer-, und Stienser (trek-) vaart. Der Reiz dieser Kanälchen liegt in der abgelegenen Ursprünglichkeit und der Unberührtheit vom „weißen“ Tourismus.
Auf der Dokkumer Ee Richtung Leeuwarden

Wir erreichen den kleinen Ort Birdaard. Schon von weitem erkennbar ist das typisch niederländische Motiv in Gestalt der Mühle „De Zwaluw“, von der es in dieser Region noch einige gut erhaltene Beispiele gibt. Wir müssen einige Minuten auf den Brückenwärter warten, dann bekommen wir für vier Gulden freie Fahrt durch die beiden beweglichen Brücken. 13 Kilometer sind es noch bis Leeuwarden und bei der erlaubten Geschwindigkeit von 9 km/h werden wir es vor dem Mittag wohl nicht mehr schaffen.
Der Dokkumer Ee parallel verläuft nun die Straße von Birdaard nach Bartlehiem, das wir nach weiteren drei Kilometern in gemächlicher Fahrt durchqueren. Hier hätten wir nun die Möglichkeit, über die Oudkerkstervaart einen Abstecher nach Aldtsjerk zu machen und von dort aus via Ouddeel Leeuwarden nordwestlich zu umfahren. Wir möchten heute aber wieder einmal in den Genuss der romantischen Ortsdurchfahrt kommen und behalten daher unseren Kurs bei. Über Bartlehiem gibt es nicht viel zu berichten, außer das die dortige Finkumer- und Oudkerkstervaart Teil der „Elf – Städte – Tour“ sind, die ja bekanntlich auf Schlittschuhen ausgetragen wird, sofern das Eis trägt.

Der Skipper

Die nächsten Brücken werden uns erst wieder in der friesischen Hauptstadt erwarten, denn um hier die Dokkumer Ee zu überqueren, sind zwei Fährverbindungen eingerichtet. 

Das erste, was wir von Leeuwarden zu sehen bekommen, sind große Wohnhäuser, heute tituliert als Bausünden der sechziger Jahre. Langsam fahren wir in die Stadt ein und da an der Eebrug ohnehin Mittagspause ist, nutzen wir die Zeit und fahren die einige hundert Meter vorher gelegene Tankstelle an, um den Durst unseres Motors zu befriedigen. Dann legen wir uns zu den anderen Yachten in Wartestellung. Gegen 13 Uhr signalisiert uns die Ampel mit Grün über Rot, dass es nun Zeit wird, die Motoren zu starten. Das Ablegen der vielen Schiffe, die sich hier mittlerweile versammelt haben, verläuft sehr gesittet, wobei dem kleinen Frachtschiff natürlich Vorfahrt gewährt wird. Dummerweise fädeln wir uns genau dahinter ein und bekommen etwas Probleme mit seinem Schraubenwasser.
Auf der Dokkumer Ee

Wir entrichten unsere zehn Gulden und damit sind auch alle weiteren Brücken bezahlt. Vor der Biegung zur Noorderbrug sehen wir dann auch zu, etwas mehr Abstand zu gewinnen, denn das Fahrwasser ist hier relativ eng und der Kollege von der Berufsschifffahrt muss entsprechend manövrieren.

Praktischerweise bekommen wir aber auch immer sofort Durchfahrt und müssen nicht die entgegenkommenden Schiffe abwarten. Wir befinden uns nun in der Noorderstadsgracht und der Beginn des Prinsentuins, ehemals Lustgarten der friesischen Statthalter, lädt mit baumbeschützten Liegeplätzen zum Verweilen ein. Das nicht nur Pisa seinen berühmten schiefen Turm hat, wird deutlich am Beispiel des Oldehove Turms.
Dieses vierzig Meter hohe Gebäude wurde nie fertig gestellt, da sich während der Bauphase von 1529 bis 1532 der Boden absenkte. Wir fahren weiter durch die Gracht, Steuerbord das pulsierende Leben dieser 90000 Einwohner zählenden Metropole, Backbord die Ruhe und Beschaulichkeit des Parks.
Die folgende Vrowenpoortsbrug liegt wiederum hinter einer Biegung und wird ebenso zügig bedient. Die folgende Westerstadtsgracht öffnet den Blick auf moderne Glasfassaden hoher Bürogebäude, gepaart mit Wohnschiffen alternativer Lebensplanung. Mit der Verlaatsbrug ist der schönste Abschnitt dieser Durchfahrt bereits vorbei, denn das letzte Stück auf der Harlingertrekvaart führt durch ein Industriegebiet.

Wir biegen über Backbord in den Van Harinxmakanaal ein, einer breiten Wasserstraße, die jedoch bei weitem nicht so stark befahren ist wie z.B. der Prinses Margriet Kanaal. Es geht weiter, vorbei an einem ausgedehnten Industriegebiet, wobei die andere Seite des Kanals von Landwirtschaft geprägt ist. Hätten wir nun noch ein paar freie Tage und wollten zurück zu den friesischen Seen, dann würden wir jetzt eine Route ausprobieren mit Namen Zwette und Sneeker Trekvaart. Der Name verrät schon das Ziel. Alle Schiffe, denen eine Durchfahrtshöhe von ca. zwei Metern ausreicht, hätten hier die Gelegenheit, über einsame Wasserwege bis nach Sneek zu fahren, wobei man dort im Yachthafen De Domp herauskommt. Eine weitere Möglichkeit wäre, das Sneeker Meer anzufahren, oder auch Grou von einer ganz anderen Seite kennen zu lernen. Nun gut, das behalten wir uns für die Zukunft vor. 

Ungefähr sieben Kilometer führt uns der Van Harinxmakanaal an der südlichen Peripherie von Leeuwarden vorbei und über das Lang Deel erreichen wir die ersten Ausläufer von Wartena, in Form einer großen Schiffswerft. Dort werden schon Kreuzer beachtlichen Ausmaßes gebaut. Der Ort jedoch ist so klein, dass man ihn nicht unbedingt besichtigen muss, denn alles Wesentliche sieht man vom Wasser aus. Kurz vor der Brücke findet man an beiden Seiten Passantenliegeplätze mit einem kleinen Sanitärgebäude. Ebenso gibt es einige Plätze vor dem Cafe „De Brigantijn“, direkt an der Brücke. In der Saison ist hier aber selten ein Platz zu finden. Den gibt es dafür reichlich im großen Yachthafen von Wartena, der sich gut als Ausgangspunkt für kurze Törns zum Princenhof eignet.

Und genau dorthin führt auch unsere weitere Route, nachdem wir die Basculebrug im Ort passiert haben. Bei Kilometer 51.5 kreuzen wir den Prinses Margriet Kanaal und kommen über die Lange Sloot in das Naturschutzgebiet Alde Feanen, besser bekannt als Princenhof. Dieses, durch den Abbau von Torf entstandene Wasserlabyrinth, ist im Sommer und an den Wochenenden leider völlig überlaufen. Brennpunkt dieses Ansturms ist dabei sicherlich Earnewald, das mit der Ferienanlage „It Wijd“ mächtig expandiert hat. Für die „große“ Pause bietet sich das Hotel - Restaurant Princenhof an, das auch Anlegemöglichkeiten bereithält. Möchte Mann/Frau einmal die Skipperverantwortung abgeben, so ist es sehr entspannend, auf eines der Ausflugsschiffe umzusteigen, um „warm und trocken“ dieses Revier kennen zu lernen. Wir bleiben im zum Teil betonnten Fahrwasser und erreichen schließlich über Wijde- und Smalle Ee wieder unseren Heimathafen De Drait/Buitenstvallaat.