Pfingsttörn: 16. - 24. Mai 1997

Eva und der Sauger
Viel zum saugen gab es nicht.



Alte "Drachtster Vaart"



"Rommelmarkt im Passantenhafen von Akkrum


Akkrum - alte Ortdurchfahrt


Der kleine Steiger in Terherne


"Schubverband Kameleon"


Terherne


Ortdurchfahrt in Balk


Balk - Frühstückspause


Auf der Luts


Schmale und verwunschene Wasserwege


Bolsward -am Wartesteiger vor der Blauwpoortsbrug


Bolswarder Trekvaart


Leeuwarden - Frieslands Hauptstadt


Leeuwarden - Im Prinsentuin


Auf der Dokkumer Ee

 

Anmerkung: Viele Informationen haben mittlerweile historischen Wert. Trotzdem viel Freude daran, wie es "damals" so war.
Ein Auszug aus dem Törnbericht erschien in der Zeitschrift "Wassersport im Westen" (Mai 1999).

1. Tag 

Für einen möglichst gelungenen Start in den Urlaub sollte man einen Fehler auf jeden Fall vermeiden, nämlich den ersten Tag gleich als Marathon zu beginnen.

Anders verhält es sich natürlich, wenn Sie nur das Wochenende zur Verfügung haben und mit dem (teuer) bezahlten Charterboot auch den Freitag entsprechend nutzen wollen, da Sie das Schiff schließlich am Sonntag schon wieder abgeben müssen.

Wir, das sind Eva, eine Frau aus Fleisch und Blut, AVALON, eine Frau aus Polyester und laut Abstammung von Shetland, sowie der Autor, haben immerhin neun Tage Zeit und können es daher etwas ruhiger angehen lassen. 

Ausgangspunkt unserer Reise soll das friesische Drachten sein, von unserem heimatlichen Münsterland in gut drei Stunden zu erreichen. Drachten bezeichnet sich selber als „das grüne Herz im Grenzgebiet zwischen Friesland, Groningen und Drenthe“ und ist mit ca. 43 000 Einwohnern zweitgrößter Ort in der Provinz mit den Seerosen in der Flagge. Sein Entstehen verdankt es der Torfstecherei im 17. Jahrhundert. Heute ist Drachten urbanes Zentrum der Gemeinde Smallingerland, gut zu erreichen über die A 7 Groningen – Heerenveen.

Unser Heimathafen De Drait/Buitenstvallaat liegt etwa 2 km außerhalb von Drachten und ist ein moderner Marina mit ca. 1200 Liegeplätzen. Nun sollte man aber nicht glauben, es ginge hier ähnlich zu wie z.B. in Enkhuizen, wo ein Schiff nach dem anderen ein – und ausläuft. Ganz im Gegenteil. Der Yachthafen wirkt eher beschaulich durch die etwas exponierte Lage jenseits der Hauptfahrwasserrouten.
Neben den günstigen Liegeplatzgebühren, war dieses ein weiterer Grund, hier unseren Heimathafen zu wählen. Andererseits findet der Wassersportler auch eine ausgezeichnete Versorgung vor, als da wären ein Zubehörshop, Toiletten und Duschen, Waschsalon, Tankstelle für Benzin und Diesel, u.v.m. Hinzu kommt ein Reparaturservice, der auch kurzfristig vorbeischaut, wenn am Boot mal nichts mehr geht. Das ist nämlich keineswegs üblich, denn wer schon einmal Probleme mit dem Motor gehabt hat, wird sicherlich bestätigen können, dass man sich in der Regel auf lange Wartezeiten einrichten muss. Das ist nicht als Unhöflichkeit zu verstehen. Die Werften und Mechaniker sind einfach voll ausgebucht. Haben Sie dazu noch ein „nicht so gängiges“ Motorenmodell, dann kann der Urlaub auf dem Wasser schon einmal beendet sein.
Daher wird unserem „Volvo Penta“ Außenborder immer besondere Liebe zuteil, man kann schon sagen, „wir sprechen oft miteinander“. Seitdem wir ihm ein Organ entfernen mussten, nämlich den Choke, ist er verständlicherweise nicht mehr ganz so startfreudig. So müssen wir jedes Mal die Motorhaube abnehmen und den rudimentären Choke per Hand bedienen, was andere Skipper öfter zu solchen Fragen veranlasst, wozu denn wohl das kleine Bändchen wäre, das dort aus dem Motor schaut!? 

Wir haben unser Boot aus der Box geholt und an den „Boulevard“ gelegt, gegenüber der umfangreichen Charterflotte von De Drait, allesamt moderne und luxuriöse Motoryachten, auf denen auch wir unsere ersten Erfahrungen gesammelt haben. Heute, am Freitag, ist Übergabetag, entsprechend geschäftig geht es zu im Hafen. Währenddessen beladen wir unsere knapp sechs Meter lange Shetland Family Four, legen Landanschluss für unser Ladegerät („Volvo“ lächelt!) und machen das Schiff insgesamt schon einmal fahrklar.

Viele Wassersportler aus Drachten und Umgebung nutzen den sommerlichen Abend noch für einen kurzen Feierabendtörn, indessen machen wir uns auf zur benachbarten Yachtwerft Bolt, wo man eine Reihe von z. T. gut renovierten klassischen schwedischen Motorbooten besichtigen und natürlich auch kaufen kann. Nach einem Spaziergang entlang der Drachtster Vaart, einem kaum noch genutzten Stichkanal, kehren wir zurück zum Boot. Einige Chartercrews sind bereits unterwegs, andere haben es sich auf den Achterdecks „ihrer“ Yachten bequem gemacht und warten z. T. noch auf Nachzügler.
Gehaltvolle Innereien diverser Kühlschränke machen bereits die Runde, so wird es Zeit, einmal den Inhalt unserer Kühlbox genauer zu betrachten. Die Hafenkatze, die sich uns noch nicht näher vorgestellt hat, besucht uns wieder einmal und spekuliert auf mein „Broodje met Haring“, ich lasse mich diesbezüglich aber nicht erweichen.
Langsam kehren auch die Spätausflügler zurück und bringen ihre Boote wieder zu den angestammten Liegeplätzen. Ich werfe noch einen Gulden in den Automaten für den Landanschluss, Eva ist bereits in der Kajüte verschwunden, wo sie immer relativ schnell von einem Dösanfall überrascht wird. Schließlich verhallen die Gespräche unserer Nachbarn, die in gemütlicher Runde und in freudiger Erwartung der kommenden Tage noch nicht ihre Koje gefunden haben. Ich glaube, wir sind wieder zu Hause. 

2. Tag 

Wir haben Urlaub, die Kajüte ist gemütlich und ansonsten wird uns auch nur der Geruch von frischem Kaffee zum aufstehen veranlassen. Leider haben wir diesen Service nicht bei uns an Bord. Ich erinnere mich an Segeltörns mit einem Skipper, der jeden Morgen aus dem Bett fiel und aus lauter Langeweile Kaffee kochte, da seine Crew noch leicht komatös vor sich hin dämmerte.

So krame ich den Wasserkocher aus der Backskiste und beginne selber mit der Zeremonie. Unsere 12 Volt Kaffeemaschine haben wir schon lange verbannt, denn die hätten wir schon am gestrigen Abend anstellen müssen, da sie nicht gerade die schnellste ist.

Die Reihen der Charterboote haben sich weiter gelichtet und auch wir machen uns langsam bereit. „Volvo“ springt uns geradezu an und wir fahren erst einmal zur Tankstelle.

Mit der Renovierung unseres Schiffes haben wir uns auch für einen größeren Tank entschlossen, aber bei 53 Litern war Schluss, denn dieses Format war gerade noch passend, um es in die Backskiste an Backbord einzubauen, wobei der Fahrer an Steuerbord dieses Gewicht dann ausgleichen würde. Denn neben dem Einbautank fanden wir noch Platz für vier Reservekanister. Trotzdem sind wir etwas hecklastig, da der Motor mit einem Gewicht von knapp über 90 Kilogramm auch nicht leicht zu nennen war.
Hinzu kommt das Gewicht der Batterie, die wir auch etwas größer dimensioniert gekauft hatten, da bei langsamer Verdrängerfahrt, und das ist die Regel auf Niederländischen Wasserwegen, die Ladeleistung des Außenborders nicht ausreicht.
Daher gönnten wir uns noch ein kompaktes Ladegerät, das sich für uns als eine der sinnvollsten Anschaffungen herausstellte, denn der Energieverbrauch an Bord kann schon erheblich sein.
Damit das Boot trotzdem einmal schneller ins Gleiten kommt, so braucht es nicht unbedingt Trimmklappen. Es ist völlig ausreichend, wenn sich jemand so lange in die Kajüte legt und ein wenig Gewicht macht. Auf dem kleinen Vordeck zu sitzen ist übrigens zu gefährlich bei diesem Tempo.  

Unser anvisiertes Tagesziel soll Terherne (fries. Terhorne) sein. Die Verwendung von zwei Ortsnamen erklärt sich durch die Tradition der streitbaren Westfriesen, deren Sprache als zweite Landessprache anerkannt ist.

Wir verlassen unseren Heimathafen über den Zufahrtskanal Nieuwe Drait und biegen am Ende über Backbord in die Smalle Ee ein. Boote, denen eine Durchfahrtshöhe von 2.30 Meter ausreicht, können auch die Strecke Richtung Dokkum befahren, doch dazu später einmal mehr. Nebenbei begutachten wir die Bauarbeiten einer neuen Ferienanlage, die man in dieser Form in fast jedem Ort findet. Stichwort ist hier „Rekreatie“, ein Ausdruck, der Ihnen in verschiedenen Wortkombinationen öfter begegnen wird und so viel meint wie „Erholung“ und „Tourismus“, aber auch „Umweltschutz“ und „Renaturierung“. Wenn auch einige Vorschriften nicht die Strenge der Bodenseeverordnung haben, so wird doch auf einen gepflegten Umgang mit seiner Mitwelt sehr viel Wert gelegt.

Unterdessen haben wir die Wijde Ee erreicht. Am Hotel – Restaurant „le sicht“ hätten wir die Möglichkeit in das Gebiet Alde Feanen, vielen besser bekannt als Princenhof, einem ausgedehnten, wasserreichen Naturschutzgebiet, einzubiegen.
Unsere Fahrt geht aber weiter Richtung Westen. Wir passieren eine Schutzschleuse, die nur bei hohem Wasserstand geschlossen wird und gelangen auf die Goengahuister Sloot. Für uns ist dieser Kanal eine kleine Abkürzung, auch wenn wir es nicht eilig haben. Aber man sollte nie die Betriebskosten aus den Augen verlieren.
Einmal öffnet sich der Kanal kurz für einen kleinen See mit Namen Modderige Bol (wer da wohl seine Erfahrungen gemacht hat?) und schließlich erreichen wir die zweite Schutzschleuse und befinden uns auf der Wijde of Peanster Ee, zusammen mit der Sijtebuurster Ee schon ein Gewässer beträchtlichen Ausmaßes. Entsprechend hoch ist der See auch von Segelbooten frequentiert, vor allem an diesem Samstagmittag, mit stetiger Brise und wolkenlosem Himmel.

Wir biegen ein in den Kanal Richtung Akkrum, der seinen Namen mit jeder Krümmung ändert. Noch so eine Eigenart. Dann treiben wir inmitten saftiger Wiesen und kleiner Baumalleen bis zum Leppe Akwadukt, das erst 1997 fertig gestellt wurde und wo der Kanal über der Straße verläuft.
Dahinter ist noch ein Yachthafen im Bau, früher war hier ebenfalls eine Charterbasis, deren Yachten wir auch schon einmal ausprobiert haben. In der Regel ist vor der folgenden Eisenbahnbrücke erst einmal Schluss, doch wir haben Glück und schaffen zusammen mit dem Konvoi, der sich hier mittlerweile angesammelt hat, noch die Durchfahrt.
Dahinter verbreitert sich das Gewässer ein wenig, was auch angebracht ist, denn zwischen der Eisenbahnbrücke und der nächsten beweglichen Brücke ist sozusagen ein Sammelbecken für alle, die ihren Blutdruck ein wenig erhöhen möchten. Man kann nicht sagen, hier herrsche Chaos, denn das möchten ja alle tunlichst vermeiden. Es ist halt ein wenig eng für so viele Schiffe, die zusammen vor zwei verschiedenen Brücken warten müssen.

Die bewegliche Brücke mit Namen it Weidlan wird von einer freundlichen Brückenwärterin zügig geöffnet und wir fahren an der Peripherie von Akkrum entlang, da die alte Ortsdurchfahrt leider stillgelegt wurde. In der Gewässerkarte ist der Passantenhafen gar nicht vermerkt, ein Schild am Kanal weist aber darauf hin.
Bei unserem ersten Besuch wollte ich rückwärts in die (zu große) Box fahren, was uns den Ein- und Ausstieg erleichtern würde, denn sonst quälen wir uns oft durch das kleine Vorluk. Dabei blieb ich aber mit der Schraube im Schlamm stecken. Rechnen Sie also nicht mit allzu viel Tiefgang in den Boxen. Der kleine Passantenhafen ist jedoch idyllisch gelegen, Hafengebühren werden meines Wissens nicht erhoben und mittlerweile ist auch ein neues Gebäude errichtet worden, zum einen mit Toiletten und Duschen, zum anderen hat sich dort der örtliche Verkehrsverein etabliert. Der Hafen grenzt an eine größere Freifläche, wo heute der „Rommelmarkt“, also ein Flohmarkt stattfindet.

Wir stecken mit dem Schiff sozusagen mittendrin, verkneifen uns aber, ein Preisschild am Rumpf anzubringen. So sichten wir erst einmal das hiesige Angebot und gehen anschließend in den örtlichen Supermarkt, um vergessene Vorräte zu ergänzen. Übrigens haben einige Restaurants stimmungsvolle Terrassen an der alten Ortsdurchfahrt. Dort kann man schon einige laue Sommerabende genießen.

Wir legen wieder ab, dieses Mal ohne im Schlamm hängenzubleiben und müssen kurz vor der nächsten Brücke warten. Es senkt sich der obligatorische Holzschuh, wir bezahlen unseren Obolus und sind nun auf der Meinesloot. Rechte Hand ein Bungalowpark, linke Hand der Yachthafen Tusken de Marren, ein mit ca. 400 Liegeplätzen recht großer Marina. Die schönsten und begehrtesten Liegeplätze sind längst der Kade am Fahrwasser. Hier kann man dem regen Schiffsverkehr zusehen und findet eigentlich immer Bootsnachbarn für ein Gespräch über die schönste Nebensache der Welt.

Die Meinesloot ist ein recht breiter Kanal, entsprechend viele kreuzende Segler veranlassen uns zur Slalomfahrt. Ob man überall seine „Lappen“ hochziehen muss, ist mir im Moment noch ein kleines Geheimnis, wenigstens kann ich die Manöver meiner Seglerkollegen einigermaßen im Voraus deuten. 

Das Dorf Terherne ist regelrecht vom Wasser umzingelt, entsprechend vielfältig sind die Freizeitmöglichkeiten rundherum. Über die Oude Zandsloot gelangen wir mitten in den Ort und finden an Steuerbord einen Passantensteiger. Hier haben leider nicht allzu viele Schiffe Platz, daher ist man gut beraten, recht früh einzulaufen. Der ausgewiesenen Passantenhafen, quasi gegenüber, ist doch etwas trostlos und vor allem eng. An Liegegebühren müssen wir sieben Gulden entrichten (fünf Gulden für das Boot und ein Gulden pro Person). 5.35m Bootslänge sind zwar nicht immer bequem, dafür aber preiswert. Landanschluss ist auch vorhanden, so können wir exzessiv die Kühlbox betreiben bevor unser Aufschnitt Beine bekommt.

Direkt am Passantensteiger ist auch der VVV beheimatet und bietet u. a. Rundfahrten mit dem Boot „Kameleon“ an. Das ist ein kleines offenes Boot mit vielen Sitzmöglichkeiten und ein noch kleineres Boot mit Motor, was ersteres vor sich herschiebt. Also ein Schubverband im Kleinen. Da wir Terherne heute zum ersten Mal besuchen, beginnen wir mit einem Landgang. Der Ort ist schnell durchquert und umrundet, wir besuchen noch einen Trödelladen und ein Wassersportgeschäft und machen es uns schließlich im Restaurant an der Brücke gemütlich.  

3. Tag 

„Volvo“ lächelt wieder einmal, weist mich aber auf seinen großen Durst hin. Wir entschließen uns daher für einen prophylaktischen Tankstopp am neuen Wassersportzentrum Mid – Friesland und können notieren, dass hier auch Sonntags geöffnet ist. Dann fädeln wir uns in den Prinses Margriet Kanaal ein, direkt vor der Schutzschleuse zum Sneeker Meer.

Diese Wasserautobahn ist immer eine ruppige Angelegenheit für kleinere Schiffe. Es sind gar nicht einmal die Berufsschiffe, die einen größeren Wellenschlag verursachen, vielmehr die große Zahl an Stahlverdrängern, die hier zur Höchstform aufzulaufen scheinen. Es wird oft gnadenlos und mit wenig Abstand überholt, während wir von den Bug- und Heckwellen fast ans Ufer geworfen werden, dessen Spundwände die Wellen natürlich noch reflektieren.  

Nun liegt aber das Sneeker Meer vor uns, dessen nordwestlicher Teil für schnellere Motorboote freigegeben ist. Gekennzeichnet ist die Strecke durch gelbe Tonnen, beginnend nach der Schutzschleuse und endend kurz vor dem Paviljoen Sneekermeer (Wer hier das Gas nicht zurücknimmt, steht mit seinem Boot auf der Terrasse). Niederländer gehören in der Regel zu den gemütlichen Bootsfahrern, doch heute sind eine Reihe von Rennbootbesitzern unterwegs.

Es gibt schließlich nur wenige Gewässer in Friesland, auf denen keine Geschwindigkeitsbegrenzung herrscht, die ja ansonsten auf 6, 9, und 12 Km/h limitiert ist. Dazu zählen neben dem Sneeker Meer noch das Sloter Meer, Fluessen/Heeger Meer, Tjeukemeer und ein kleiner Abschnitt auf dem Bergumer Meer. Auf einigen Seen existiert noch eine beschränkte Erlaubnis für eine bestimmte Zeit. Wer einmal so richtig „rasen“ will, der braucht in jedem Fall einen Sportbootführerschein, nämlich für alle Schiffe, die bauartbedingt schneller als 20 Km/h fahren können, unabhängig von der Motorleistung. Nicht mehr notwendig ist die Eintragsbescheinigung beim „Rijksdienst voor het Wegverkeer“, wo man auch ein extra Kennzeichen erhielt.

Ein Gleiter möchte halt einmal gleiten, das Sneeker Meer ist ohnehin nur unter Segeln richtig zu genießen. Am Ende heißt es noch einmal „Augen offen halten“, denn zwischen dem Paviljoen Sneekermeer und dem Starteiland verkehren freifahrende Fähren, die auf den Freizeitskipper nicht ganz so viel Rücksicht nehmen, abgesehen von ihrem Vorfahrtsrecht.  

Wir verlassen den Prinses Margriet Kanaal, der bei Lemmer ins Ijsselmeer führt und biegen über Steuerbord in die Houkesloot ein. Auch hier ist das Schiffsaufkommen beträchtlich, denn dieser Kanal ist von Norden kommend der Hauptzufahrtsweg nach Sneek. Über diese Wassersportmetropole werde ich an anderer Stelle noch einmal ausführlicher berichten. Wir möchten dieser schönen Stadt heute nur einen Kurzbesuch abstatten, denn die Geschäfte haben ohnehin geschlossen, was Eva zu der (rhetorischen) Frage veranlasste, warum wir größere Orte immer nur am Wochenende anfahren würden? Ich möchte nicht unbedingt das Klischee bedienen, dass Frauen temporär in einen textilen Wahn verfallen können, aber ich habe da so meine Erfahrungen, wenn diese Epidemie ausbricht.

Entlang der Houkesloot findet man eine Vielzahl von Werften und Reparaturbetrieben, u. a. sind wir hier auch nach Ersatzteilen für „Volvo“ fündig geworden.
Steuerbord konkurrieren schmucke Gärten um die Gunst der Betrachter, die Häuser sind mit kleinen Kanälen verbunden und die Schiffe der dort residierenden liegen am eigenen Anleger direkt vor dem Haus. Dort wo die Houkesloot zum Zomerrak wird, verbreitert sie sich ein wenig, beidseitig sind neue Anlegemöglichkeiten entstanden, um den Andrang in der Hauptsaison wenigstens ein wenig abfangen zu können, obwohl Sneek schon reichlich mit Yachthäfen gesegnet ist. 

Unser Konvoi zieht sich vor der Oppenhuizerbrug ziehharmonikaartig zusammen und sammelt sich noch einmal für die gemeinsame Ortsdurchfahrt. Eine blinkende Tafel an der Brücke signalisiert uns, dass der Brückenwärter noch auf den Linienbus warten muss, der hier Vorrang genießt. Gleichzeitig zeigt uns Grün über Rot, dass wir die nächsten sein werden, die einfahren können. Schließlich klappt die Brücke nach oben und für drei Gulden, mit denen auch die Bedienung der folgenden zwei Brücken bezahlt ist, tauchen wir in diese quirlige Stadt ein.

Der Brückenwärter kann nun für kurze Zeit wieder seinem Hobby nachgehen. Er bastelt nämlich Knotentafeln, die er auch zum Verkauf anbietet.

Wer einmal Probleme mit seinem Außenborder hat, der findet gleich an Backbord relativ schnelle Hilfe bei der Firma Keikes, mit einem kleinen Anleger direkt vor der Tür und gut zu erkennen an einem aufgeblasenen Plastikaußenborder an der Hauswand.

Nach einigen hundert Metern, in Sichtweite des Friesischen Schifffahrtsmuseums, ist die nächste Brücke für unseren Konvoi bereits geöffnet worden. Wer noch Einkäufe zu tätigen hat, der könnte nun an Steuerbord anlegen, sofern er einen Platz bekommt, und im Supermarkt seine Vorräte ergänzen. Eine weitere bequeme Einkaufsmöglichkeit, ohne langen Fußmarsch und Transportproblemen, findet man auf dieser Route einige Kilometer weiter in Ijlst. Früher gab es dort einen Supermarkt direkt hinter der Brücke. Dort konnte man den Einkaufswagen bis vor das Boot schieben. Dieser ist jetzt aber ca. 200m weiter gezogen.

Schließlich ist das Wahrzeichen von Sneek, das Waterpoort erreicht, Bestandteil der ehemaligen Festungsmauer, heute ein kleines Museum mit einer Sammlung von Rollschuhen.

(Wer sich also einmal die Inline – Skates unserer Vorfahren betrachten möchte...?).

Hinter der gleichnamigen Brücke haben sich bereits zahlreiche Yachten versammelt, die den umgekehrten Weg fahren wollen. Hier wird heftig manövriert und immer wieder finden sich einige Drängler, die anscheinend nicht begreifen können, dass sie sich auf einem Schiff befinden und nicht auf der A1 auf dem Weg zu einem dringenden Termin. Wir machen erst einmal an der Geeuwekade fest und suchen uns einen gemütlichen Platz, um unser Mittagessen nachzuholen. Wer übrigens die Haltbarkeit seiner Wasserkarte bemängelt, der sollte sich das eingeschweißte Exemplar zulegen, zwar ein wenig teurer, dafür hält es auch mindestens die aufgedruckte Geltungsdauer. Oftmals suggerieren eingetrocknete Kaffeeflecken, hier wäre plötzlich ein neuer Ort entstanden, oder sie stehen vor einer festen Brücke, die sie auf der Karte gar nicht finden können, weil sie dort just eingerissen ist.

Wir fanden die Karte bei „Wams Watersport“, die auch Sonntags geöffnet haben, unübersehbar gelegen nahe des Waterpoorts.

Auf der Weiterfahrt begegnet uns wieder das merkantile Bild von Yachtwerften und Reparaturbetrieben, dann verbreitert sich der Kanal und heißt nun Geeuw. Die nächste bewegliche Brücke stellt mit einer Durchfahrtshöhe von drei Metern in geschlossenem Zustand für uns kein Hindernis dar.
Der kleine Ort Ijlst ist schon in Sichtweite, doch dieses Mal wollen wir nicht die übliche Durchfahrtsroute nehmen, sondern biegen hinter dem Charterunternehmen Holiday Boating nach Backbord in einen kleinen Kanal ein (Dort findet sich auch besagter Supermarkt). Nun variiert unsere Durchfahrtshöhe je nach Beladung um einige Zentimeter, abgesehen davon musste ich mir von Eva den Kommentar gefallen lassen, warum ich dieses „bescheuerte“ Ankerlicht gekauft hätte, wo wir doch ohnehin schon vorschriftsmäßig beleuchtet seien.

Dieses Ankerlicht war glücklicherweise klappbar und musste nicht einer friesischen Brücke geopfert werden. Nur musste Eva dazu erst einmal auf unser nicht sehr großzügiges Vordeck turnen. Laut Karte wäre die erste Brücke 1.75m hoch, die zweite 1.95m. Ich verwechselte aber beide Angaben, nahm die erste mit Schwung und wollte es bei der zweiten „mal probieren“. Nun, wir konstatierten, dass unsere Durchfahrtshöhe am heutigen Tag etwa 1.76m betrug und sich das Ankerlicht auch heute noch am Schiff befindet.

Linke Hand befindet sich ein kleiner Yachthafen, der wohl nur von den Einheimischen genutzt wird, ansonsten hat man hier das Gefühl, den Anwohnern durch die Gärten zu fahren. Auch hier finden wir botanische Meisterleistungen, jeder möchte wohl einen kleinen Park sein Eigen nennen.

Der Kanal schlängelt sich Baumbewachsen an Ijlst vorbei und bietet noch die Entscheidung über weitere Kanälchen wieder Richtung Sneek oder zum Prinses Margriet Kanaal zu fahren. Wir gelangen über Het Zouw und Wijnsllot zum Hauptfahrwasser Wijde Wijmets, das uns nach Woudsend bringen wird. Schnurgerade zieht sich der Kanal durch die Wiesen und unsere Fahrt wird nur in Osingahuizen durch die bewegliche Brücke kurz unterbrochen. Etwas später folgt eine Kreuzung, die etwas unübersichtlich ist und wo fast immer reger Schiffsverkehr herrscht. Denn wir kreuzen hier den Johan Friso Kanaal, auch Jeltesloot genannt. Diesen Wasserweg nutzen zumeist die Segler, um schnell zum Heeger Meer zu kommen, respektive andere Wassersportler, um Sneek, Heech oder Woudsend einen Besuch abzustatten. Die Jelteslootbrug gehört daher auch zu den am meisten frequentierten Bauwerken in dieser Gegend.  

Wie nicht anders zu erwarten war, ist auch in Woudsend fast alles auf dem Wasser und die Basculebrug wird pausenlos bedient. Vor unserem Bug wird sie zwar gerade wieder zugeklappt, aber die verbleibenden 2.50m reichen uns bekanntlich aus. Dahinter werden wir wieder zur Slalomfahrt veranlasst, denn auch die Segelschule an der alten Holzmühle „De Jager“ sprüht vor Aktivität. Den Kurs der Jollen im Voraus abzuschätzen würde allerdings zu einer neuen Chaostheorie führen, denn die Probanden haben fast nur einen Blick für ihr Boot und kaum für den restlichen Schiffsverkehr.

Nun ist das Sloter Meer erreicht und wir wählen an der Fahrwassertrennungstonne den Kurs nach Balk. Diese Mal ersparen wir uns die Gleitfahrt, denn auch hier wird ausgiebig gesegelt.

Wer Balk vom Sloter Meer kommend anfährt, der sollte sich, vor allem mit tiefergehenden Booten, möglichst an den Tonnenstrich halten. Sie wären sonst nicht die erste Crew, die wichtige Bordvorräte für ein Abschleppmanöver opfern müsste. Ich habe es einige Male erlebt, dass gerade Segelboote aus der Betonnung gerieten, die vor der Einfahrt ihre Segel bergen wollten, dazu noch mit dem oftmals stark wehenden Westwind zu kämpfen hatten. Schließlich wurden sie von dem schlammigen Untergrund unangenehm abgebremst und hatten mit ihrer zumeist geringeren Motorisierung keine Möglichkeit, sich selbst aus dieser misslichen Lage zu befreien. Aber in Sichtweite des Yachthafens an der Mündung der Luts finden sich schnell einige freundliche Helfer, die versuchen werden, sie wieder zu befreien. Allerdings sollte man sich darauf nicht in jedem Fall verlassen.

Wir laufen den Yachthafen Lutsmond (Mündung der Luts) an, wo wir mit unserer knapp sechs Meter langen Shetland Family Four auch zur nun beginnenden Hauptsaison im Mai noch einen Liegeplatz finden. Wir wählen den Steiger direkt am Fluss, denn hier ist es durch den regen Schiffsverkehr interessanter, wenn auch etwas unruhiger. Letzteres relativiert sich dadurch, dass man schön in den Schlaf geschaukelt wird.

Mit unserem kleinen Boot sind wir ganz besonders auf die Infrastruktur der Yachthäfen angewiesen und so haben wir mit sanitären Einrichtungen und Landanschluss unseren Minimalbedarf schon gedeckt.

Natürlich findet man auch sehr schöne Liegeplätze im Ort, der noch ca. einen Kilometer entfernt ist. Wer hier seine Bordvorräte ergänzen möchte, der entdeckt nahe der ersten (festen) Brücke Supermarkt und Bäcker, für abendliche Aktivitäten ist man von der Snackbar über den „Chinesen“ bis zur Pizzeria ebenfalls gut versorgt. 

Der Ortskern von Balk drängt zum Wasser hin, wo wir die alte Bausubstanz aus der Blütezeit des Dorfes im 18. Jahrhundert mit reich verzierten Treppen- und Halsgiebeln bewundern können. Damals gelangte man vor allem durch den Butterhandel zu Wohlstand und verdankt dieser Zeit auch sein prachtvolles Rathaus (1615) mit einer hohen Freitreppe und Wappentragenden Löwen.

Möchten sie Ausflüge planen, so hilft ihnen der Verkehrsverein gerne weiter, der seinen Sitz ebenfalls an der ersten Brücke hat. Auch ein Wassersportgeschäft liegt in unmittelbarer Nähe, mit einem großen Angebot an gebrauchtem Equipment. Das schont bekanntlich die Bordkasse.

Wir haben dann Balk auch ausgiebig genossen und waren recht froh über den Fußmarsch entlang der Luts zurück zum Yachthafen.

4. Tag 

So legen wir am nächsten Morgen auch recht spät ab. Über dem Sloter Meer hat sich der Morgennebel gelichtet, die ersten Boote fahren wieder hinaus, viele davon jugendliche Jollensegler, die ihre Unterkunft in den vielen umgebauten Bauernhäusern gefunden haben, direkt am Wasser gelegen. Wir wollen heute versuchen, das Gaasterland zu durchqueren.

Auch der Hafenmeister ist heute spät dran, überholt uns grüßend mit seiner „Fiets“, während wir die Luts hochtuckern. Er muss noch Liegegeld kassieren, bei den Anlegern im Ort. Kurz vor  Balk haben sich an Backbord eine Reihe von Charterfirmen niedergelassen, die man sich aus keinem, am Wasser gelegenen Ort mehr wegdenken könnte. Auch wenn so viele Gemeinden die Zeit der Hanse als ihre merkantile Hochphase ansehen, so hat sich doch heute die Tourismusbranche als einer der wirtschaftlich bedeutendsten Zweige etabliert.

Nach der ersten festen Brücke mit einer Durchfahrtshöhe von 2.25m folgen die beiden beweglichen Exemplare. Wir machen am kleinen Wartesteiger fest und nach unserem akustischen Ankündigungssignal kommt sogleich ein Brückenwärter von irgendwoher und kurbelt seinen Arbeitsplatz gen Himmel. Er scheint erfreut über diese Abwechslung, denn sogleich gesellen sich auch einige Bekannte dazu. Mit dem Fahrrad radelt er dann zur nächsten Brücke und wiederholt den Vorgang. Mit 2.50 Gulden entlohnen wir diese Mühe gerne.

Nun steht uns das Gaasterland offen, wir machen jedoch erst einmal an einem „Straßenschild“ fest, in Ermangelung anderer Möglichkeiten, um unser Frühstück nachzuholen.

Unser heutiges Tagesziel soll Workum sein und da das Wetter es gut mit uns meint, könnten wir somit auch riskieren, das Heeger Meer bzw. Fluessen zu befahren, ohne unsere Shetland auf Materialtauglichkeit zu prüfen. Denn ab 5 bft. wird es mehr als ungemütlich, es sei denn, sie wollen ihre Inneneinrichtung neu sortieren.

Wir tauchen aber zuerst einmal ein in die Ruhe eines ausgedehnten Waldgebietes, das in Friesland selten zu finden ist. Ein Stück des Weges begleitet uns noch die Straße von Balk nach Koudum, dann sind wir allein auf diesem schmalen Fluss, eingebettet in dichtem Grün. Äste und Zweige hängen oft tief über das Wasser, die Ufer sind vielerorts noch natürlichen Ursprungs. Kleine Stege bieten uns eine Rast, laden zum verweilen ein oder zur Wanderung durch die Starnuman bossen. Aus der Ferne erklingt Musik, beim näher kommen entdecken wir ein Lager von Zigeunern, deren Fröhlichkeit zum Glück auch dunkle Jahrhunderte überdauert hat.

Hinter dem Landhaus Kippenberg ändert die Luts ihren Namen in Van Swinderenvaart und wir werden in einen kleinen See entlassen. Hier hat eine Gruppe von Jollenseglern einen idyllischen Platz gefunden und ihre Zelte aufgeschlagen. Langsam überqueren wir das neu entdeckte Gewässer und haben etwas Mühe den Beginn der Rijstervaart zu finden, die sogleich im rechten Winkel über Steuerbord abknickt. Hier und da passieren wir Bauernhäuser und kleine Brücken, selten begegnen wir anderen Booten und wenn, dann zumeist einheimische Bauern, die auf diese Art natürlich auch ihre Felder erreichen können.

Mit erreichen der Waldgrenze empfängt uns wieder das Bild mit Wiesen, Kühen und Schafen, das so typisch für diese Region ist. Ein wenig fahren wir noch „durch“ die Wiesen, bis die Rijstervaart sich öffnet und wir uns auf der Oud-Karre wieder finden.

Nimmt man es mit der niederländischen bzw. friesischen Eigenart der ständigen Umbenennungen nicht so genau, dann könnte man auch sagen, wir sind nun am westlichen Ende des Heeger Meeres. Denn die Oud-Karre heißt ein paar Wellen weiter schon wieder De Oorden, mit der betonnten Fahrrinne von Heek nach Stavoren, die fast immer stark frequentiert wird. Wir laufen erst einmal den Yachthafen De Kuilart an, um die dortige Tankstelle anzufahren. 

De Kuilart ist mehr als nur ein Yachthafen und präsentiert sich mittlerweile als Multi-Ferienanlage. Nahe bei liegt der Ort Koudum, einigen Wassersportlern vielleicht bekannt als Heimathafen von Friesland Boating. Sie können den Ort natürlich auch mit dem Boot erreichen, sofern sie mit einer Durchfahrtshöhe von 2.65m auskommen. Für uns ging es aber weiter Richtung Fluessen und Heeger Meer.

Wenn wir mit einem Segelboot unterwegs sind, ist hier das ideale Revier, um längere Schläge zu machen, will man nicht unbedingt zum Ijsselmeer. Mit Gaastmeer, Heeg, Woudsend und Elahuizen hat man schnell einen Platz für die Nacht, oder für schlechtes Wetter gefunden, dazu natürlich den Komfort moderner Marinas.

Möchte man seinen Abend abseits vielbevölkerter Orte verbringen, dann bieten sich die vier im Heeger Meer gelegenen Inseln an, allesamt mit Anlegemöglichkeiten, gepflegt durch die Vereinigung Marrekrite. Beim ansteuern sollte jedoch ein genauer Blick in die Karte geworfen werden, denn es gibt einige Untiefen rund um die Inseln.

Als Motorbootfahrer genießen wir noch einen weiteren Vorteil dieses Gewässers. Hier herrscht nämlich ebenfalls keine Geschwindigkeitsbegrenzung und wir können einmal wieder in Gleitfahrt gehen. Bei herrlichem Wetter und ruhigem Wasser ist das ein ausgesprochenes Vergnügen, sofern man den Sicherheitsabstand zu anderen Booten möglichst großzügig bemißt. Gerade Segler sind bei Flaute sehr empfindlich, wenn eine Welle ihre geringe Fahrt völlig zum erliegen bringt.

Auf Höhe der kleinen Insel Langehoekspolle fädeln wir uns wieder in das betonnte Fahrwasser ein, lassen das Dorf Gaastmeer Steuerbord liegen und gelangen in die Inthiema Sloot (Zu diesem Namen verkneife ich mir eine etymologisch unkorrekte Übersetzung!).

Auf dem Weg nach Workum überqueren wir noch zwei kleinere Seen und erreichen schließlich ein kleines Nadelöhr in Form einer Eisenbahnbrücke. Hier orientieren sich die Öffnungszeiten natürlich am Fahrplan der Niederländischen Staatsbahn. Haben sie keine Angst vor dieser Art der Brücken, aber Respekt. Einmal wären wir fast darin steckengeblieben, weil der Bootskonvoi vor uns sich im engen Fahrwasser ein wenig verknotete, die Brücke aber fahrplanmäßig schließen musste. Ich hatte den ersten Hinweis über Lautsprecher nicht wahrgenommen, der ankündigte, dass bis zur Brückenschließung noch eine Minute vergehen würde. Hinzu kam noch, jenes Bauwerk war ein Drehbrücke, die nun langsam auf unser Schiff zukam, denn der Brückenwärter hieß „Fernbedienung“. Das kann schon mal die Flybridge oder den Mast kosten. Glücklicherweise hatten die Schiffe hinter uns bereits aufgestoppt und ich konnte mit Maschine Vollgas zurück dem nahenden Unheil entgehen.

Die Brücke vor Workum  stand jedoch offen und wurde von richtigen Menschen bedient. Dahinter heißt es allerdings „Wahrschau“,  denn es folgt eine dieser berüchtigten Kreuzungen, wo jeder Skipper woanders hin möchte. Voraus verläuft die Ortsdurchfahrt, die schließlich zum Ijsselmeer führt, entsprechend hoch ist dort der Schiffsverkehr. Backbord findet man den Workumer Yachthafen und die Möglichkeit quasi um Workum herumzufahren, sofern 2m Durchfahrtshöhe in Ordnung gehen. An Steuerbord liegt die Trekvaart van Workum naar Bolsward, hinter ihnen möchten auch noch andere Boote diese Brücke passieren und neben sich hat man den Pulk, deren Durchfahrt noch nicht freigegeben ist. Wir können hier aber ganz gut durchwieseln, da ein Außenborder etwas manövrierfreundlicher ist. Die folgende bewegliche Brücke mit einer Höhe von 2.40m in geschlossenem Zustand stellt für uns kein Hindernis dar. Steuerbord hat die Gemeinde eine Reihe freier Liegeplätze eingerichtet, Backbord liegt der Yachthafen Bouwsma, ein ruhiger, komfortabler Binnenhafen mit allen Einrichtungen. Unser Ziel ist aber der Hafen von Schaap Jachtcharter“, den wir nach einem Gulden Obolus für die folgende Brücke erreicht haben. 

Workum ist ebenfalls ein sehr lebhafter Ort und gleichermaßen ein Paradies für Surfer und Camper. Sie finden hier wunderschöne Fassaden und monumentale Gebäude, wie die Sankt Gertrudiskirche, die Stadtwaage und das Rathaus. Die ideale Lage am Ijsselmeer, der ehemaligen Zuidersee, ließ früher den Handel und die Fischerei erblühen und verhalf Workum zu großem Wohlstand. In der Saison finden hier eine ganze Reihe von Aktivitäten statt, erkundigen sie sich daher beim örtlichen VVV. Wir gerieten mitten in die „Elfstedentocht“ per Fahrrad und es war unglaublich, wie viele Menschen daran teilnahmen.
Während sich die schwitzenden Leiber durch das Nadelöhr der Absperrungen quälten, erfreuten wir uns an dieser sportlichen Veranstaltung, sowie an einigen gut gekühlten „großen Bieren“ (ohne Schaum). Der Besuch einer Pizzeria lies uns zuletzt die Entscheidung treffen, den Heimweg etwas großzügiger zu gestalten, denn es gab wieder einmal reichlich Arbeit für die organische Verbrennungsmaschine.

5. Tag 

Wenn sie in Friesland einmal nicht mit dem Boot fahren wollen, aber trotzdem zu einer weiter entfernten Besichtigungstour starten möchten, dann bietet sich das gut ausgebaute Netz von Busverbindungen an. Denn nur wenige Orte sind durch die Bahn verbunden, dazu gehört auch Workum, gelegen an der Strecke Sneek – Stavoren. In Stavoren hat man eine direkte Verbindung zur Fähre, die einen auf die „andere Seite“ des Ijsselmeeres bringt, nämlich nach Enkhuizen. Wer diese Reise einmal plant, der sollte und wird wahrscheinlich auch das Zuiderseemuseum besuchen. Dazu an anderer Stelle einmal mehr.

Unser Ausflug geht aber heute in die andere Richtung und zwar zurück nach Sneek. Das Pfingstwochenende ist vorüber, die Geschäfte wieder geöffnet, das bedeutet „Extrem –Shopping“! Ausgerechnet heute sind es ungefähr 30 Grad, dazu hat mich im tiefen Wald des Gaasterlandes noch irgendein mutiertes Insekt in die Hand gestochen, gegen das mein Immunsystem auf Hochtouren läuft. Unterdessen kündigt sich bei Eva eine Sonnenallergie an und so schleppen wir uns, in Sneek angekommen, erst einmal in die nächste Apotheke. Meine angehende Pharmazeutin weiß, was uns gut tun wird und leicht gedopt erforschen wir die Angebote am heutigen Markttag. Am Nachmittag besuchen wir auch das Schifffahrtsmuseum, wo neben der glorreichen maritimen Vergangenheit auch viele Exponate zum Thema Wintersport ausgestellt sind. Denn was soll man mit all dem Wasser machen, wenn es einmal gefroren ist? Zu besichtigen ist dort auch eine „Oudheitskamer“, die das häusliche Leben vergangener Jahrhunderte dokumentiert. Das Museum ist in jedem Fall einen Besuch Wert und wird mit viel Liebe zum Detail immer wieder ergänzt. Schließlich wollten wir auch noch das Modelleisenbahnmuseum besuchen, auch wenn wir zu deren Geschichte weniger Affinität besitzen. Dieses kleine Museum ist etwas schwierig zu finden, es befindet sich am Kleinzand 145, an der alten Ortsdurchfahrt. Entweder durchfragen, oder einen Stadtplan aus dem Automaten am VVV ziehen. Wir sind dort sehr freundlich empfangen  worden und es wurden alle möglichen Züge für uns in Bewegung gesetzt.

Zurück an unserem Liegeplatz bei Schaap Jachtcharter erwartete uns dann eine seltsame Prozession. Ich hatte am Abend zuvor eine angetrunkene Dose Limonade offen in eine Backskiste gestellt. Die Kundschafter des nahen Ameisenlagers schienen dieses wohl gewittert zu haben. Von deren Nest ging der Weg über den Steg, am Poller hoch, über die Leine zur Klampe, herunter auf den Decksboden, schließlich durch ein Lüftungsgitter zum Objekt der Begierde. Es hat noch Wochen gedauert, bis wir den letzten Patrouillen von Bord bekommen haben.

Am Abend erwartete uns noch ein Schauspiel anderer Art. Ein Segelboot wollte in eine der Boxen neben uns einlaufen, die Crew war klar zum anlegen, der Skipper fuhr umsichtig und im richtigen Winkel, dazu war noch reichlich Platz. Es wäre sicherlich ein perfektes Manöver geworden, wäre der Mast nicht in einer Baumkrone hängen geblieben. Der widerborstige Ast brach ab und krachte auf das Deck, der Mann an der Vorleine wurde fast Opfer seines eigenen Beharrungseffektes und ging beinahe über Bord und das Schiff lag quer im Kanal. Sie nahmen es nach dem ersten Schrecken mit Humor.

6. Tag 

Irgendwie werden wir dieses „Phantomkribbeln“ nicht los bei dem Gedanken an unsere insektoiden Besucher, die nur danach streben, unsere Vorräte zu erobern. So nutzen wir ausgiebig die hervorragenden sanitären Einrichtungen dieses Hafens, bis die Haut Falten wirft.

Gegen 13 Uhr legen wir ab und werden sicherlich noch einmal wiederkommen, wobei es auch nicht unser erster Besuch gewesen ist. An der Brücke bekommen wir sofort Durchfahrt, obwohl wir das einzige Boot sind, das davor wartet. Eva hat immer noch Tendenzen zum Kammerjäger und räumt die Kajüte von innen nach außen. Das sich nun das Bettzeug in der Plicht befindet, erheitert nicht nur die Brückenwärter. Ab und an gibt sie Laute von sich, die ich nicht als Äußerungen der Erheiterung deuten kann. Jede neu entdeckte vergessene Ameise hat eine Steigerung der „Kreischfrequenz“ zur Folge. 

Wir biegen ein in die Trekvaart van Workum naar Bolsward, womit unser Ziel schon charakterisiert ist. Vor uns liegen knapp 12 Kilometer eines wunderschönen Kanals, vorbei an den beiden nostalgischen Dörfern Parrega und Tjerkwerd, jeweils mit beweglicher Brücke, wie es sich für einen Ort gehört. Man sollte diese Strecke unbedingt einmal befahren haben, ebenso die anschließende Bolswardervaart, von Bolsward nach Ijlst laufend. Hier kommt man auch mit großen Yachten noch recht problemlos durch, befindet sich aber auf Wasserwegen, deren Charme die entspannte Ursprünglichkeit friesischer Lebensart widerspiegelt.

Ich denke kurz zurück an das Modelleisenbahnmuseum, das wir gestern besucht haben. Ich glaube, ich würde meine Modellandschaft dieser Beschaulichkeit nachempfinden. Ein schilfgesäumter Kanal, der sich durch grüne Wiesen zieht, bewohnt von schwarz-weißen Kühen und blökenden Schafen. Hier und da ein reetgedecktes Bauernhaus mit gepflegtem Garten und einem Bootsanleger vor dem Anwesen, von dem aus wir sonntags einen Ausflug machen. Fahrradfahrer begleiten uns ein Stück des Weges und wir gedenken all den Menschen, die diese Kanäle einst mit Mühen gegraben haben. Die Hebebrücken wären alle frisch gestrichen und stolz die Brückenwärter, die jeder kennt im Dorf. Kleine Häfen würde ich anlegen, mit Schiffen aller Art und aller Zeiten. Am Hafen dreht eine prachtvolle Windmühle ihre Flügel durch den immerwährenden Wind, pumpt unermüdlich das Wasser aus den Poldern und freut sich an jedem Besuch, der ihre Arbeit durch sein Hier sein belohnt. Kirchen reckten ihre Türme in den Himmel, mahnend an die Demut jedweder Schöpfung.

Ein Schrei weckt mich auf...!

Eva hat wieder ein Tier mit mehreren Beinen entdeckt. Ich schlage ihr vor, sie solle eine neue Mannschaftsliste aufstellen, damit wir wissen, wer abends zum Essen bleibt. 

Die alte Hansestadt Bolsward ist erreicht, ursprünglich entstanden an der Middelzee und seit 1455 mit eigenem Stadtrecht. Die bewegliche Autobahnbrücke (!) können wir „unterfahren“ und befinden uns nun im Kruiswater, einer Art Hafenbecken. Direkt an Steuerbord beginnen die Passantenliegeplätze. Dort steht auch ein Sanitärcontainer und es besteht die Möglichkeit, Frischwasser zu bunkern. Weitere Liegemöglichkeiten findet man noch, fährt man weiter über Steuerbord in die Stadtgracht. Das ist allerdings eine Sackgasse und man sollte als nicht so erfahrener Crew schon überlegen, wie man dort am nächsten Morgen wieder herauskommt. An Backbord, dort wo die Ortsdurchfahrt beginnt, finden sich ebenfalls noch Anleger. Hinter Bolsward ist für alle Schiffe höher als 2.50m aber Schluss. Wir legen aus praktischen Gründen natürlich am Sanitärgebäude an, nur gibt es leider keinen Strom.

Unser aktuelles Problem ist aber ein ganz anderes: „Volvo“ spinnt! Einer von seinen drei Zylindern hat irgendwie Hustenanfälle und das schon temporär seit Koudum. Wir haben es schon mit gutem Zureden, neuen Zündkerzen und vielerlei Säuberungsaktionen versucht, können den Fehler aber nicht lokalisieren. Ein Blick in den „Almanak“ verrät uns zwar einen Reparaturservice, der hat aber von Außenbordmotoren gar keine Ahnung. Dort telefoniert man aber mit einem Kollegen, der zum Boot kommen würde, um sich die Sache einmal anzusehen. Der kam dann auch und ich glaube er war Landwirt, aber deshalb in Bezug auf Motoren nicht weniger kompetent. Eva war bereits Richtung Supermarkt verschwunden und so versuchte ich mich zusammen mit einem Friesen, der immer wieder in seine Mundart verfiel, einen bockigen 70 PS Motor zu reparieren. Als der Friese dann nach einiger Hantiererei sagte, ich solle nun den Motor einmal starten, tat ich dieses auch. Er unterschätzte dabei die Kraft der Schwungscheibe, die Folge war ein großes Loch in seiner Hose (zerfetzt klingt zu martialisch!) und ein kleineres in seinem Bein. Endlich konnte ich unseren „Erste Hilfe Koffer“ ausprobieren, der bislang noch so jungfräulich dalag.

Dann rissen wir erst einmal gemeinsam eine Dose Bier auf. Nun, „Volvo“ ging es anschließend wieder besser, uns auch, bis er kurz hinter Wergea wieder launisch wurde. Vielleicht ist „Er“ ja auch eine „Sie“ und hat diese berüchtigten hormonellen Schwankungen? Dazu aber später.

Auch Bolsward besuchten wir nicht zum ersten Mal. Ist man mit einer größeren Crew unterwegs, hat man zwar oft eine Menge Spaß, ist aber kaum in der Lage, einen Ort intensiv zu erleben. Oftmals „reduzieren“ sich solche Landgänge auf die nächstgelegene Kneipe, was sicherlich auch nicht zu verachten ist. Wer es hier auf die Spitze treiben möchte, der kann auch die Distilleerderij Sonnema – Plantinga besuchen, wo der Sonnema – Beerenburger gebrannt wird. Das ist ein Schnaps aus 71 Kräutern, die Basis ist Jenever (Letzteres ist etwas für Beckenrandschwimmer!). Nach der Besichtigung, möglich von Montag bis Donnerstag in der Zeit von 10 – 15.30 Uhr, sowie freitags von 10 – 12 Uhr, sollte man sich nicht mehr allzu viel vornehmen. Übrigens zu finden an der Stoombootkade 12, direkt an der Ortsdurchfahrt, nahe vom Kruiswater. Gestandene Brauereibesucher können auch bei der Friese Bierbrouwerij vorbeischauen, wo Us Heit entsteht. Das bekommen sie auch in fast jeder Kneipe. 

Gegen Abend erscheint der Hafenmeister, wir bezahlen 4.25 Gulden (!) Liegegebühren und bekommen dazu noch ein mehrsprachiges Heft mit touristischen Informationen über die Stadt. Beim anschließenden Rundgang schauen wir uns auch De Broerekerk an, eine ehemalige Klosterkirche aus dem 13. Jahrhundert, die im Jahre 1980 leider ein Raub der Flammen geworden ist. Die zwischenzeitlich restaurierte Ruine wirkt heute wie ein Fremdkörper in diesem lebendigen, von Grachten durchzogenen Ort.   

7. Tag 

Für den heutigen Tag haben wir uns die Bolswarder Trekvaart vorgenommen, die wir eigentlich einmal bei schönem Wetter befahren wollten. Der Himmel ist jedoch bewölkt und ab und zu fällt etwas Regen. Irgendwie ist es gestern etwas später geworden und uns gelüstet nach Fisch, da unser Mineralstoffhaushalt ins Wanken geraten ist. Der Verkäufer gratuliert mir in bestem Friesisch, da ich der erste in Bolsward wäre, der den „Hollandse Nieuwe“ gekauft hätte. So haben wir den Hering, der gestern noch seine Bahnen in der Nordsee zog, auch sichtlich genossen. So weit zum Frühstück.

Nach dem Ablegen fuhren wir in die Stadtgracht ein und machten an einem kleinen Wartesteiger vor der Blauwpoortsbrug fest. Eva organisierte an der nahe gelegenen Tankstelle noch ein paar Kanister Benzin, während ich mich auf die Suche nach dem Brückenwärter machte, der mir kurze Zeit später schon entgegengeradelt kommt. Er bedient nämlich insgesamt drei Brücken und muss ab und zu einmal nachsehen, ob von Norden jemand in die Stadt einfahren will. Bei der Durchfahrt werde ich auf eine steinerne Tafel aufmerksam, die mich an einen unsäglichen Abschnitt deutscher Vergangenheit erinnert. Auch wenn man in den Niederlanden mit Mahnmalen dieser und anderer Art eher bescheiden umgeht, vielleicht auch aus Rücksichtnahme, so sollten wir uns dieser Vergangenheit stets bewusst sein.

Wir sind heute das einzige Schiff, das die Stadtssingelgracht befährt, was für den fleißigen Brückenwärter aber kein Problem darstellt. Gemütlich fährt er neben uns her, trifft an der nächsten Brücke einige Bekannte, ebenso an der folgenden und wahrscheinlich wird über das Wetter geredet. Nach der St. Jansbrug sind wir seiner Obhut entlassen und werden grüßend verabschiedet. Ein kurzes Stück begleiten uns noch die Ausläufer von Bolsward, dann sind wir allein auf unserem Weg nach Leeuwarden, der Hauptstadt der Friesen. 

Diese Region hat ebenfalls ein vielfältiges, aber seltener befahrenes Wassernetz, da die festen Brücken jeweils das Limit setzen. Sie werden hier kaum Charterboote treffen, höchstens einmal Schiffe z.B. vom Typ „Doerak“ oder englische Narrow – Boats mit entsprechend geringer Durchfahrtshöhe. Wir erreichen die Abzweigung der Harlingervaart, eine Route, die wir uns für einen späteren Zeitpunkt aufgehoben haben und direkt zu dieser schönen Stadt an der Nordsee führt. Die Bolswardervaart, auch Grutte Pier Route genannt, nach einem friesischen Volkshelden, hat im weiteren Verlauf eher den Charakter eines Flusses, der mit sich und der Welt zufrieden in seinem Bett liegt, erfreut über jedes Schiff, das seine Oberfläche sanft kräuselt. Die Landschaft bietet das gewohnte Bild von Wiesen und Feldern bis zum Horizont, in der Ferne die Spitzen von Kirchtürmen irgendwelcher Ansiedlungen. Kurz wechselt die Perspektive bei der Durchfahrt durch die kleine Ortschaft Burgwerd und nach circa drei Kilometern ist Wommels erreicht, das einen beschaulichen Passantenhafen besitzt. Ich gebe kurz Signal und erschrecke mich selber, denn ich habe das Gefühl, ich würde den Ort aus dem Dornröschenschlaf wecken. Eva steckt ihren Kopf aus der Vorluke, schaut etwas verständnislos und scheint wohl derselben Ansicht zu sein. Schon erscheint der Brückenwärter und wir bekommen freie Durchfahrt, nachdem wir zwei Gulden in seinen „Klompen“ geworfen haben. Weiter geht die langsame Fahrt nach Norden, hier und da zweigen kleine Kanäle ab, die aber auch für uns nicht mehr befahrbar sind. Dort tummeln sich vor allem Kanufahrer und die Strecken sind extra ausgewiesen für diese Sportart.

Bei Easterlittens kreuzt die Franekerfahrt und man hätte hier die Möglichkeit zum einen die „Sternenstadt mit Atmosphäre“ zu besuchen, so die Selbstbeschreibung Franeckers. Zum anderen führt dieser Kanal zurück nach Sneek und erreicht die Stadt in der Nähe des Bahnhofs. Doch spätestens dort wäre auch für uns die Fahrt zu Ende, außer, wir würden die Windschutzscheibe demontieren.
An der folgenden und letzten beweglichen Brücke in Baerd hat der zuständige „Brugwachter“ seine ganze Familie versammelt, inklusive einen Teil seiner Verwandtschaft und wir scheinen genau im Richtigen Moment gekommen zu sein. Denn er erklärt den Umstehenden gerade die Bedienung der Brücke sowie die Handhabung des Holzschuhs. Letzteres erfordert einiges an Übung, was auch sein Nachwuchs feststellen muss. Eva hat Mühe, den wild schwingenden Schuh zu erfassen, ich stoppe auf, damit es nicht noch Beulen an Boot und Crew gibt. Trotzdem haben wir uns gemeinsam köstlich amüsiert. 

Wer zwischendurch einmal anlegen möchte, der findet auch außerhalb der Dörfer einige Möglichkeiten. Exemplarisch sei hier ein Liegeplatz genannt, der auch von der Vereinigung „De Marrekrite“ gepflegt wird. Dieses ist ein Erholungsverband, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, in ganz Friesland kostenlose und in freier Natur gelegene Liegeplätze anzubieten, erkennbar an den weißen Festmacherpfählen. Oftmals finden sich dort auch Abfallcontainer, die regelmäßig geleert werden. Es ist erlaubt, dort für drei Tage anzulegen, an einigen Plätzen darf auch gezeltet werden. Für zehn Gulden sollte man diese Vereinigung unterstützen, dafür bekommen sie noch einen Wimpel für ihr Schiff. Der „Marrekrite“ – Platz an der Bolswardervaart besitzt sogar eine Art Freiluft – Toilette und da wir diesen Luxus nicht an Bord haben, ist es gut zu wissen, wo man diese Örtlichkeiten auch in abgelegenen Gegenden finden kann.

Auf diesem Etappenstück von fast 22 Kilometern sind uns vielleicht drei Boote entgegengekommen. Das änderte sich natürlich mit Erreichen des Van Harinxma Kanaals, der von Harlingen zum Prinses Margriet Kanal führt. Dieser Kanal verdient die Bezeichnung Wasserstraße, ist aber bei weitem nicht so stark befahren wie der Prinses Margriet Kanaal. Für unsere kleine Shetland eine angenehme Tatsache. 

Leeuwarden empfängt uns als moderne Metropole, beginnend mit einem ausgedehnten Industriegebiet und gefolgt von Hochhäusern mit spiegelnden Glasfassaden. Die Eisenbahnbrücke der Linie Leeuwarden – Dokkum steht in der Regel offen, da diese Verbindung nur sporadisch genutzt wird. Vor der Hermesbrug stellen wir uns aber auf eine längere Pause ein, denn die Verantwortlichen möchten erst den einsetzenden Feierabendverkehr abfedern, daher können die Öffnungszeiten von denen im „Almanak 2“ angegebenen etwas variieren. Schließlich setzten wir unsere Fahrt mit einem größeren Konvoi fort, der sich hier mittlerweile eingefunden hat. An der Kade entdecken wir ein Schiff mit jüngerer Vergangenheit, nämlich der ehemals schwimmende Piratensender „Radio Veronica“, heute in die Medienlandschaft integriert.

Die Verlaatsbrug liegt genau hinter einer Biegung, ist daher schwer einzusehen. Wir bekommen aber sofort Durchfahrt und sehen bereits unseren Lieblingsliegeplatz am Anfang des Prinsentuins, unterhalb vom Restaurant Liuwherne. Einige Schiffe haben dort bereits festgemacht, wir haben aber selten Mühe, noch eine passende Lücke zu finden. Nun liegen wir in der Natur und trotzdem in einer pulsierenden Stadt. Der Prinsentuin, ehemals Lustgarten der friesischen Statthalter, befindet sich auf den alten Stadtwällen entlang der Westersingel und bietet sich für einen ausgiebigen Spaziergang geradezu an. Abgesehen davon ist man sofort im Zentrum der Hauptstadt. Ein Wort noch zu der Infrastruktur. Sie finden dort keine weitere Versorgung, außer sanitären Einrichtungen bei der „Theeschenkerij Prinzentuijn“, in der Nähe der Vrouwenpoortsbrug, die sehr schwer zu entdecken sind. Vom Hafenmeister bekommen sie einen Code, der ihnen den Zugang erlaubt, daher können sie recht sicher sein, dass sich die Einrichtungen in sauberem Zustand befinden. Landanschluß ist nur zum Teil vorhanden, wobei diese Plätze oft von Großseglern belegt sind.

Leeuwarden, mit seinen 85000 Einwohnern, hat dem Besucher natürlich einiges zu bieten, ist aber in seiner Art etwas provinzieller – und das nicht im negativen Sinne – wie z.B. die Studentenstädte Groningen oder Utrecht. In jedem Fall eine Stadt mit ausgiebigen Einkaufsmöglichkeiten, was vor allem Eva in große Aufregung versetzte. Natürlich war „Koopavond“ und dabei durfte sie auf gar keinen Fall fehlen. Doch aufkommender Hunger bremste ihre Energie und wir stärkten uns beim „Chinesen“. Wir beendeten schließlich den Abend im Restaurant Liuwherne, von wo aus wir die zwanzig Meter bis zum Boot zur Not auch rollen könnten. Dort feierte gerade eine Gruppe junger Frauen den Abschied einer Freundin in die Ehe und das nicht weniger exzessiv als bei einem Junggesellenabschied. Gehört man nicht gerade zu den Großgewachsenen Exemplaren des männlichen Geschlechtes, so wie ich zum Beispiel, dann kann es einen schon erschrecken, wenn plötzlich ein Hochgewachsenes, blondes, friesisches Mädchen auf einen zustürzt und fragt, ob man an ihrer Halskette bestehend aus Süßigkeiten knabbern wolle. Ich bin sicherlich immer aufgeschlossen gegenüber den Initiationsritualen fremder Kulturen, doch mit Rücksicht auf meine blonde Westfälin lehnte ich dankend ab.

Nun, sie hätte damit kein Problem gehabt, wie sie mir mitteilte, aber diese Möglichkeit des Kennenlernens friesischer Lebensfreude wird wohl so bald nicht wiederkommen. 

8. Tag 

Gegen 9 Uhr klopfte der Hafenmeister an unser Boot und riss mich unsanft aus detaillierten Träumen über blonde Frauen, die nach Gummibärchen schmeckten. Nachdem ich wieder einigermaßen in die Realität zurückgefunden hatte, holte ich mühevoll Eva aus der Koje und, in Ermangelung der Möglichkeit zum Kaffee kochen, gingen wir erst einmal ins nächste Café, um diesen Tag überhaupt begrüßen zu können.

Ein wenig erkundeten wir dann noch Leeuwarden, um nach dem Mittag Richtung Grou aufzubrechen. Dabei wollten wir aber nicht den direkten Weg wählen, sondern quasi um Leeuwarden herumfahren, um auch diese Strecke einmal kennen zu lernen. Mit einigen anderen Yachten setzten wir die Ortsdurchfahrt Richtung Norden fort, immer entlang des Prinsentuins. Mitten in der Stadt überquert man zwar nicht den Äquator, aber irgendwo dort beginnt die Wasserkarte A „Groningen, Noord – Friesland“. Die Durchfahrt verläuft ohne Probleme und bald befinden wir uns auf der Dokkumer Ee. Krampfhaft suche ich nach der Einfahrt in die Bonkesloot, übrigens Zieleinlauf der Elfstädtetour. So fahren wir erst einmal ein ganzes Stück daran vorbei und überlegen bereits, ob wir weiter nach Dokkum fahren sollten. Im zweiten Anlauf finden wir aber die Einfahrt, die sich hinter Bäumen versteckt hält und sofort einen Knick nach Backbord macht, was auf der Karte so nicht zu erkennen ist. 

Der erste Abschnitt erinnert uns ein wenig an die Alternativroute um Ijlst, danach führt eine Straße schnurgerade am Kanal entlang, was weniger idyllisch ist. Die Bonkesloot trifft dann im rechten Winkel auf das Ouddeel, dort gehen wir nach Steuerbord, immer noch längst der Peripherie der friesischen Hauptstadt. Die Durchfahrtshöhe beträgt übrigens minimal 2.45m. Auf der ganzen Strecke kommt uns gerade einmal ein Schiff entgegen, das mit dieser Route vielleicht die Ortsdurchfahrt abkürzen will. Wieder ist die „B – Karte“ erreicht, wir sind nun in der Nähe der Leeuwardener Yachthäfen, die ja leider etwas abseits der Stadt liegen und daher von uns auch noch nicht besucht worden sind. Weiter geht es ein Stück auf dem Lang Deel, eigentlich die Fortsetzung des Van Harinxma Kanaals. Dieser knickt nun nach Osten ab zum bekannten Prinses Margriet Kanaal. Wir fahren geradeaus durch die Brücke und direkt dahinter über Steuerbord in die Wargaster vaart, die uns in die Ortschaft Wergea bringt. Eine bewegliche Brücke ist zu passieren, ansonsten habe ich über diesen Ort nicht viel zu vermelden, denn wir waren noch nie hier und auch heute fahren wir nur durch. Das freundliche Ambiente von Wergea wird uns aber sicherlich hierhin zurückführen.          

Lange habe ich keine expliziten Äußerungen mehr von „Volvo“ gehört, jetzt beginnt er wieder zu Husten. Abgesehen davon sieht es ziemlich bescheuert aus, wenn das Boot immer kleine Hüpfer nach vorne macht und die Leute glauben, Ich oder der Kahn seien betrunken. Das Spielchen geht so weiter bis Grou, daher war mir nicht so sehr danach, die Landschaft zu genießen.

Der direkte Weg ist durch einen Damm versperrt, daher müssen wir über das kurze Verbindungsstück De Meer in den Prinses Margriet Kanaal einfahren, dann über Steuerbord hinein nach Grou. Wir wollen versuchen, nahe des Hotels Oostergoo noch einen Liegeplatz zu bekommen, denn die Boxen im Gemeindehafen an der anderen Seite der Stadt sind für uns viel zu groß. Ein Schwimmbagger versperrt anfangs einen Großteil der Kade, aber kleine Schiffe brauchen auch nur kleinen Platz. Nachdem der Bagger endlich abgezogen ist, wird es reichlich voll an diesem Anleger, denn heute beginnt das „13e Watersport Muziek Festival“ mit acht Bands in acht Kneipen. Das kann ja heiter werden.

Zuerst einmal kauften wir aber einen Satz neuer Zündkerzen, obwohl die alten auch noch recht neu waren. Doch durch die ständige Verdrängerfahrt verölen diese natürlich schneller und ich hatte mir bereits zur Gewohnheit gemacht, diese wenigstens jeden zweiten Tag zu reinigen.

Grou mit seinen 5500 Einwohnern zählt mit zu den Wassersportzentren in Friesland, natürlich auch bedingt durch seine ideale Lage am Pikmeer. Den stimmungsvollsten Platz findet man sicherlich auf der Terrasse vom Theehuis, wo man Wassersport pur genießen kann. Tag und Nacht herrscht hier reger Schiffsverkehr, nachts vor allem durch die Frachtschiffe, die den Prinses- Margriet-Kanaal befahren. So sollte man sich bei den angrenzenden Liegeplätzen auf ein wenig mehr Wellengang einstellen. Es hilft aber, wie schon einmal erwähnt, beim einschlafen.

Unsere AVALON ist mittlerweile flankiert von großen Motoryachten, die bereits im Päckchen liegen. Das wäre in keinster Weise unangenehm, wenn nicht die Abgase der Standheizung der benachbarten Yacht durch unser Boot ziehen würden. Die Kleinsten haben immer die schlechteste Luft. So machen wir uns bereits gegen 20 Uhr auf den Weg, bevor uns eine Kohlenmonoxid Vergiftung ereilt und starten im Het Wapen van Grouw, wo es heute Abend Blues gibt.
Üblicherweise beginnen die Konzerte erst gegen 23 Uhr und so wollen wir es eigentlich langsam angehen lassen. Jedoch erscheint ein friesischer Plattbodenskipper mit einer Crew aus dem Ruhrgebiet und erweist sich als Vollblutentertainer. Dass dabei auch die Kelche kreisen, muss ich nicht extra erwähnen. Wir halten durch, bis die Bluesband anfängt und versuchen schließlich noch, uns die Top 40 Band in der schräg gegenüberliegenden Disko anzuhören. Irgendwie kreisen in unseren Köpfen aber schon ganz andere Zündkerzen und Eva bekommt langsam die Tendenz zu waagerechter Haltung.
Sie schläft sofort tief und fest ein und lässt sich dabei auch von der vorbeilaufenden Marching Band nicht mehr beeindrucken. Ansonsten bleibt alles ruhig am Schiff, auch wenn hier und da mal jemand anklopft. Das manche Menschen vor Schiffen nicht haltmachen, mussten wir einmal in der Vorsaison mit einem Charterboot in Sneek erleben, wo man in der Nacht die Festmacherleinen gelöst hatte und wir schließlich schräg im Kanal lagen, der zum Glück nur ein kleiner Stichkanal war. Wäre dieses an einem vielbefahrenen Gewässer passiert, so kann sich die Konsequenzen jeder selbst ausmalen.

9. Tag 

Heute geht es leider wieder zurück. „Volvo“ fühlte sich gut mit neuen Zündkerzen, wir uns weniger. Benzin wollte er auch schon wieder haben, der ja in den Niederlanden mittlerweile exorbitant teuer ist. Wir würden sicherlich gerne auf einen ökonomischen Motor umsteigen, wenn wir denn einen gesponsert bekämen. Denn Student und Motorboot sind eigentlich zwei Bereiche, die sich durchaus diametral gegenüberstehen, andererseits möchten wir auch nicht erst als Rentner mit einem eigenen Boot losfahren. Glauben sie aber nicht, das BaföG – Amt hätte das Schiff finanziert. So meckern wir nicht und sehen den Fakten ins Auge.

Knapp zwei Stunden dauert die Rückfahrt nach Drachten und ab der Wijde of Peanster Ee sind wir wieder auf der Strecke, die wir auch zu Beginn des Urlaubs genommen haben. Im Yachthafen De Drait/Buitenstvallaat angekommen, folgen wir schon beinahe ritualisierten Handlungen, wie Geschirr spülen, Gepäck und Ausrüstung von Bord nehmen, Boot säubern, in die Box fahren und „tschüs AVALON“ sagen. Einst fanden wir das Schiff, kümmerlich ausgeweidet und abgestellt hinter einem Ferienhaus. Wahrscheinlich stünde es auch heute noch dort, denn der Vorbesitzer hatte ursprünglich gar nicht daran gedacht, es zu verkaufen.

Wir verbrachten schließlich damit unsere erste Saison auf der Ems und nun schone die dritte in Friesland.

 

1. Bücher

 

1. Fahrtroutenbuch Friesland: 13 Fahrtrouten durch ganz Friesland. Hg. VVV Friese Meren.

    Heerenveen, 1998

2. Bachmann, Ingrid, und Petersen, Raimund. Hafentag am Ijsselmeer. Herford: Busse

    Seewald, 1992

3. Bachmann, Ingrid, und Petersen, Raimund. Hafentag in Friesland. Herford: Busse

    Seewald, 1994

4. Maschke, Angelika, und Böckl, Harald. Mit dem Hausboot durch Holland. 1. Aufl.

    Eigenverlag, 1994

5. Kramer, Jaap, und de Bruijn, Wim. Havengids Nederland. Schiedam: W.H. den

    Ouden, 1992

6. Werner, Jan. Holland mit dem Boot. 4. Aufl. Bielefeld: Delius Klasing, 1992

7. Koenen, Rob, und Droogers, Ko. Noord-Nederland. Acht toeristische Vaarroutes in:

    ANWB/Waterkampioen, ohne Datum

8. Routenbeschreibungen. Hg. Top of Holland Yachtcharter. Sneek: ohne Datum.

 

2. Navigation

 

1.      ANWB Waterkaart B Friese Meeren, in der jeweils aktuellen Ausgabe

2.      ANWB Waterkaart A Groningen, Noord – Friesland, in der jeweils aktuellen Ausgabe

3.      ANWB Almanak Teil 1 und 2, in den jeweils aktuellen Ausgaben